Die Fleshtones aus New York gehören sicherlich zu den Urgesteinen der Indie-Rock-Szene. Sie sind auch die letzte überlebende Band der ersten Generation von CBGB-Acts, die sich nicht irgendwann aufgelöst haben und die seit den 70ern stets aktiv waren. Gerade erst liegt mit "The Band Drinks For Free" eine brandneue Scheibe mit dem typischen Clash aus Garage-Rock, Psychedelia und gutgelauntem Power-Pop mit Retro-Touch vor. Was soll denn dieser Titel? "Das wird für uns immer wichtiger", meint der Frontmann Peter Zaremba, "wenn man für seine Drinks selbst zahlen muss, dann kratzt das an deiner Würde als Musiker. Deswegen bestehen wir darauf, dass die Getränke frei sind, wenn wir irgendwo auftreten. Das ist ja auch eine gute Investition." Bevor wir nun eine altgediente Veteranen-Band wie die Fleshtones mit den entscheidenden zehn Fragen löchern, interessiert aber doch zunächst, wie die Fleshtones den Wandel der Musikzene erlebt haben. "Nun - die Leute verkaufen heute weit weniger Scheiben als früher", überlegt Peter, "insofern wird auch weniger mit Geld um sich geworfen. Das mag vielleicht sogar eine gute Sache sein. Und dann war es ja lange Zeit die vorherrschende Meinung (die ja bekanntlich immer falsch ist), dass die Live-Tour nur eine Werbung für das Album darstellte. Wir haben aber immer schon die Würde vorgezogen, etwas durch unsere Live-Auftritte zu verdienen. Heutzutage scheint jeder gelernt zu haben, dass man für sein Abendessen singen muss - ob man nun will oder nicht." Was motiviert denn altgediente Recken wie die Fleshtones immer weiter und weiter und weiter zu machen? "Das kann man nie wissen", meint Peter, "aber auf jeden Fall macht es jede Menge Spaß und wenn wir es nicht machen, dann macht es auch niemand anderes."
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1. Was ist deine Definition von "guter Musik"?
Das ist eigentlich alle Musik, die uns gefällt - was übrigens auch schlechte Musik sein kann.
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Die Fleshtones - und das ist kein Witz: Wir fangen langsam an, von uns selbst inspiriert zu sein. Wir bearbeiten Musikrichtungen, die wir seit unseren Anfängen - und teilweise noch früher - bearbeiten. Heutzutage mag das Rock'n'Roll sein, der von Tex-Mex-Sounds oder Surfmusic beeinflusst wurde. Keith (Streng - Peters Co-Frontmann und -Songwriter) tendiert zwar in eine nachdenklichere Richtung - aber Spaß macht es uns offensichtlich immer noch.
3. Warum sollte jeder eure neue Veröffentlichung kaufen?
Nun - jeder sollte dieses Album haben, denn es wird langsam Zeit, dass auch jeder die Fleshtones entdeckt. Nachdem wir heutzutage großartige Scheiben machen können, käme es jedermann zu Gute, diese Scheibe zu besitzen. Viele Leute haben ja von uns gehört und glauben zu wissen, was wir machen - aber jetzt ist es an der Zeit, es auch tatsächlich mal zu HÖREN. Und nebenbei würde es uns helfen, weiter die Fleshtones sein zu können, wenn man das Album kaufte.
4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker gekauft?
Ich hätte fast "Drogen" gesagt - aber es war tatsächlich meine erste "Fast Five Farfisa Orgel". Sie hat nur 50 $ gekostet - weil 1977 niemand Farfisa Orgeln haben wollte.
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker werden wolltest?
Also ich hatte mich eigentlich nie als Musiker per se betrachtet - nur als Fan. Ich denke, der Moment für mich war als ich Keith, Marek Pakulski (unser späterer Fleshtones-Bassist) und Mike "Whale" Costello in ihrem Keller in Whitestone, Queens, jammen gesehen habe. Ich hatte irgendwann den Mut, meine Mundharmonika zu zücken und ans Mikro zu treten. Das war's dann.
6. Hast du immer noch Träume - oder lebst du den Traum bereits?
Ich lebe schon meinen Traum - aber ich hätte nichts dagegen, wenn der finanziell etwas sicherer wäre. Ich habe aber auch tatsächlich Träume wie diesen: Wir versuchen in bizarren Clubs zu soundchecken und sollen mit der Show anfangen. Es ist aber alles hell erleuchtet und die Leute wandern herum. Das ist ein stressiger Traum, der sich ständig wiederholt. Ich habe aber auch glückliche Träume - wenn ich zum Beispiel Songs wie "Hipster Heaven" oder "Rock Wakemans Cape" erträume. Dann kann es passieren, dass ich lachend aufwache.
7. Was war eure größte Niederlage?
Mann, da hätten wir eine lange Liste - und das meiste davon wäre selbst verschuldet. Gerade heute habe ich an den frustrierenden Prozess gedacht, als wir unsere erste EP "Up Front" aufnahmen und uns total mit unserem Produzenten zerstritten haben. Nicht nur, dass ich diese Aufnahmen hasse, sondern ich trauere dem nach, was hätte sein können, wenn wir die Sachen so aufgenommen hätten, wie wir es eigentlich wollten. Auch der Umstand, dass unser erstes Album "Blast Off" erst Jahre nachdem wir es aufgenommen hatten, rauskam, war eine echte Niederlage. Aber warum soll man sich damit aufhalten. Man könnte ja auch gute Songs darüber schreiben.
8. Was macht dich derzeit als Musiker am glücklichsten?
Vor Leuten zu spielen, die das, was wir machen, zu schätzen wissen und Scheiben so klingen zu lassen, wie wir sie auch klingen lassen wollen. Irgendwann wird die Welt mit uns Schritt halten können...
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Wow - da könnte es auch eine sehr, sehr lange Liste geben. Was hieltest du von "The Night Chicago Died", oder "American Pie" oder "Alone Again, Naturally"? Hm - die meisten davon sind aus den frühen 70ern - eine besonders schlechte Periode, von der ich mich niemals erholen werde. Wie sähe es mit "Angie" von den Stones aus? Ich kann auch nicht behaupten, dass ich viel um die Eagles, Grateful Dead oder Crosby, Stills & Nash gebe. Das gehört auch nicht in die Kategorie "So schlecht, dass es schon wieder gut ist".
10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf deiner Gästeliste stehen?
Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage, weil ich in meiner ersten Job als Musik-Promoter in New York viele Bands getroffen habe, die ich wirklich mochte. Ich habe aber schnell gelernt, den Künstler von der Musik zu trennen, die ich mag. Viele der Leute, die Musik machten, die ich mag, stellten sich als Creeps heraus - aber das war irgendwie okay. Schließlich präsentiert sich uns der Künstler nicht selbst, sondern seine Musik, die der bester Teil von ihm ist. Sie irgendwie anders zu beurteilen, ist nicht fair. Aber wenn ich darüber nachdenke, wäre es schön, Alan Vega noch mal auf unserer Gästeliste haben zu können - so wie früher. Die Leute realisieren einfach nicht, was für ein großartiger Kerl er gewesen ist. 

(Alan Vega ist am 16.07.2016 verstorben).
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