Im Wechselbad der Gefühle: Auf seinem feinen, bereits zu Jahresbeginn veröffentlichten Debütalbum "Things We've Got In Common" gelingt den in Hamburg heimischen Amber & The Moon mit beeindruckender Leichtigkeit der Brückenschlag zwischen den Welten. Mit Texten zwischen Mystik und Melancholie scheint die einst als Soloprojekt gestartete Band von Sängerin und Gitarristin Ronja Pöhlmann auf den ersten Blick in der Folk-Welt verwurzelt, doch der stets organischen und oft akustischen Basis zum Trotz glänzen die Songs mit Unterstützung von Gitarrist, Bassist und Sänger Jonathan Riedel, Drummer Torben Sdunek und Produzent Ben Schadow klanglich facettenreich am Indie-Pop-Firmament, wenn sich Versatzstücke aus Rock, Blues, Psychedelia und ein Hauch von Jazz zum geheimnisvollen Joni-Mitchell-in-Laurel-Canyon-Vibe der Lieder gesellen. Intime Zerbrechlichkeit trifft so auf eine geradezu cineastische Weite und Vielschichtigkeit, was bisweilen Assoziationen mit Laura Marling oder Daughter weckt, aber gerade hierzulande bemerkenswert eigenständig ist. Die leicht entrückte Stimmung des Albums, auf dem viele Songs im positivsten Sinne aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, spiegelt den ungewöhnlichen Entstehungsprozess der Platte wider: Den finalen, selbstverständlich analogen Schliff erhielt "Things We've Got In Common" zwar im Bremer Studio Nord, zuvor allerdings brachte die Band ihre Songs bei einem Aufenthalt an der Nordsee und bei einer Stippvisite an der Küste Portugals auf Kurs.
In den vergangenen Monaten standen Ronja und Jonathan oft zu zweit auf der Bühne, zum Jahresabschluss allerdings spielen sie ihr Album - und auch schon einige neue Songs wie die just veröffentlichte Single "Black Swarms" - mit der kompletten Band. "Ich finde beides sehr schön, aber die Band ist ein noch größeres musikalisches Sofa, auf das man sich zurücklehnen kann", erklärt Jonathan im Gaesteliste.de-Interview nach dem zu Herzen gehenden Amber-&-The-Moon-Auftritt im treffend heimeligen Ambiente der Münsteraner Pension Schmidt. "Die Band gibt ganz viel Halt und man weiß genau, wo man hingehört. Da gibt es ganz viel Energie, die nicht nur von vorne vom Publikum kommt, sondern in dem Fall bei uns auch von hinten, von unserer Rhythmussektion. Das macht es dann noch entspannter." - "Das kann ich so unterschreiben", ergänzt Ronja. "Wir haben uns alle sehr lieb, und es macht uns sehr viel Spaß, gemeinsam Musik zu machen. Oft fangen Jonathan und ich mit dem Songwriting an und holen erst später die anderen Jungs dazu, und es ist cool, wenn ein Song dann zwar auch in der Duo-Version funktioniert, dann aber mit der Band noch einmal wächst und viel größer wird."
Wer's nicht glaubt, kann sich davon am 28. November 2023 beim Heimspiel von Amber & The Moon im Hamburger Knust überzeugen. Vorab gibt's aber noch die Antworten auf unsere zehn Fragen.
|
1. Was ist eure Definition von "guter Musik"?
Ronja: Gute Musik ist für mich die, die mich berührt. Wenn ich einen emotionalen Zugang finde, dann ist es mir auch ziemlich egal, was für eine Art von Musik es ist und wie gut oder schlecht sie performt ist. Solange die Emotion bei mir ankommt, ist das gute Musik!
Jonathan: Ich würde ziemlich genau das Gleiche sagen. Es ist auch egal, ob die Emotion die ist, die der Künstler ausdrücken wollte, Hauptsache, eine kommt bei mir an und ich weiß, welche es ist (lacht)!
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Ronja: Es war auf jeden Fall etwas Besonderes, sich die Zeit zu nehmen und sich total zu isolieren. Wir haben die Platte ja in drei Blöcken aufgenommen und für je knapp zwei Wochen war man dann total in dieser Blase. Man steht morgens auf, es geht den ganzen Tag lang nur um die Musik, man geht ganz, ganz spät schlafen, schläft auch nur kurz und am nächsten Tag ist es wieder das Gleiche. Es war sehr schön, sich dem so widmen zu können und ganz songdienlich arbeiten zu können. Was auch sehr schön war: Als wir in Portugal waren, bin ich mit einem Field Recorder herumgelaufen und habe Sounds aufgenommen, die ich spannend oder schön fand, und bei unserem Albumschlusslicht "While Everything Else Was Quiet" gibt es nun eine Soundcollage, und es ist schön, dass das dort auch noch festgehalten ist.
Jonathan: Ich glaube, es war wichtig, dass wir nicht sofort in ein Studio gegangen sind, damit diese Songs, die ursprünglich auf einer Gitarre geschrieben und performt worden sind, auch diese Songs bleiben, dass sie nicht verlorengehen. Deshalb war das eine gute Idee, denn der Song mit der akustischen Gitarre stand dann schon, und darum baut man dann herum. So geht die Essenz, die man eigentlich festhalten will, nie verloren. Das war sicher ein ungewöhnlicher, aber sehr guter und interessanter Weg.
3. Warum sollte jeder eure neue Veröffentlichung kaufen?
Jonathan: Weil man gar nicht genug Platten haben kann!
Ronja: Die Platte ist auch wie eine warme Decke für die kalte Jahreszeit, die einem Geborgenheit schenkt - zumindest ging es mir so, als wir die Musik geschrieben und das Album aufgenommen haben.
4. Was habt ihr euch von eurer ersten Gage als Musiker gekauft?
Ronja: Wir haben es sofort reinvestiert. Jetzt sparen wir schon für die zweite Platte, die wir gerade schreiben. Wenn das Leben es zulässt, gehen wir nächstes Jahr wieder ins Studio!
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass ihr Musiker werden wolltet?
Ronja: Musik mache ich schon mein ganzes Leben, aber der Auslöser [dafür, die Musik zum Beruf zu machen] war, dass ich einen Künstler kennengelernt habe, der das professionell gemacht hat. Davor kannte ich nur diese scheinbaren Stars oder Hobbymusiker, und deshalb war das ein tolles Zusammentreffen, weil ich gemerkt habe, irgendwie funktioniert's! Warum es also nicht selber wagen, wenn das die große Leidenschaft ist? Deshalb bin ich dann nach Hamburg gegangen, um dort Songwriting zu studieren, und habe dort Gott sei Dank auch Jonathan kennengelernt.
Jonathan: Bei mir war das ganz ähnlich. Vernünftige Pläne hatte ich noch nie, und Musik habe ich eh immer gemacht. Ich glaube, das erste Mal, dass ich darüber nachgedacht habe, war, als ich ganz klein war und Straßenmusiker gesehen habe. Mein Vater sah das eher als abschreckendes Beispiel, aber ich fand das ganz toll, dass das, was auf der CD waren, die die dort verkauft haben, ein echter Mensch spielt. Das war auf jeden Fall das erste Mal, dass ich darüber nachgedacht habe, da war ich vielleicht fünf oder sechs oder so. Wenn man eigentlich nie drüber nachdenkt, dass etwas nicht funktionieren könnte, dann macht man einfach, was man für richtig hält.
Ronja: Genau, es fühlt sich für uns alle richtig an. Solange wir das hier machen können, ist das ein großes Glück, und deshalb ist es schön, wenn Leute zu Konzerten kommen oder die Platten kaufen (lacht).
6. Habt ihr immer noch Träume - oder lebt ihr den Traum bereits?
Jonathan: Beides!
Ronja: Ja!
Jonathan: Wenn es so funktioniert wie im Moment, dann passt es auch schon. Der erste Schritt ist gemacht, und dann kann es nur noch besser und noch grandioser werden! Natürlich hat man auch Träume, dass man ganz sicher keinen Nebenjob mehr braucht und sich keine Sorgen machen muss. Wenn das funktioniert, wäre es für mich schon genug. Der Rest sind nur romantische Gedankenspielereien: Wo man mal spielen will und so Geschichten. Aber das ist nicht essenziell, sondern eine echte Dreingabe.
7. Was war eure größte Niederlage?
Ronja: Wie die Musikindustrie funktioniert! Dass die Großen immer weiter nach oben gepuscht werden und die kleineren Künstler eher runtergedrückt werden. Das macht es für viele Newcomer ziemlich schwer. Da gibt es viele strukturelle Ungleichheiten und Diskrepanzen, die im optimalen Fall in der Zukunft verschwinden.
Jonathan: Eine kleine Niederlage beim Musikmachen ist sicherlich, wenn man nicht ganz so offen war, wie man hätte sein sollen. Es passiert immer mal wieder, dass man sich auf eine Idee fixiert und nicht einfach… fühlt! Das sind die kleinen Niederlagen bei Schreib- und Aufnahmeprozessen!
8. Was macht euch derzeit als Musiker am glücklichsten?
Jonathan: Ich sehe das ganz romantisch. Allein, dass ich Musik machen kann und damit sogar Geld verdiene und dass das der Inhalt meines Lebens ist, das ist so ein großes romantisches Ideal, das mich das glücklich macht, wenn ich nur dran denke.
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Jonathan: Mir fallen gerade nur gut-schlechte Songs ein, wie "I‘m Too Sexy" von Right Said Fred. Das ist schon ein schlechter Song, aber auf genau die richtige Art schlecht!
10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf eurer Gästeliste stehen?
Jonathan: Das ist eine schwierige Frage: Entweder man nimmt ganz besondere Persönlichkeiten oder Menschen, die einem sehr nahestehen. Ich glaube, ich würde jemanden nehmen, der mir sehr nahesteht - Großeltern, die es schon nicht mehr gibt! Das fände ich gut! Einmal alle Großeltern!
Ronja: Das hätte ich tatsächlich auch gesagt, da meine Großeltern bei mir auch sehr prägend waren und leider schon zu früh gegangen sind und von der Musik noch gar nichts richtig mitgekriegt haben. Das wäre sehr schön!
|