Bereits mit ihrem Debüt-Album "Aquatic Ballet" ließ die Schweizer Musikerin Tiffany Limacher aufhorchen, weil sie die Hälfte ihrer bereits damals orchestral interpretierten Kook- und Dreampop-Songs in ihrer Muttersprache Schweizerdeutsch darbot - obwohl sie durchaus fließend des Englischen mächtig ist. Das setzte die Künstlerin, die ihren Projektnamen "To Athena" aus ihrem Spitznamen "To" und ihrem zweiten Vornamen "Athena" zusammensetzte, auf dem in diesem Jahr erschienenen zweiten Album "The Movie" konsequent fort, welches sie - nach einer ersten Präsentation mit einem achtköpfigen Kleinorchester auf dem diesjährigen Reeperbahn Festival - in den folgenden Wochen erstmalig mit einer Solo-Headliner-Tour auch auf unsere Bühnen bringen wird.
Bevor wir Tiffany mit unseren berühmten zehn Fragen löchern, wollen wir aber erst mal wissen, wie sie denn wohl zu ihrer Musik gekommen ist. Das neue Album heißt ja "The Movie". Kann es sein, dass sie es mit der Schauspielerei hat - oder wie es in diversen Berichten heißt - ein Mal als Comedienne gearbeitet hat? "Nein - als Kind wollte ich das mal werden", meint sie, "aber jetzt nicht mehr, denn jetzt habe ich ja die Musik und bereue das auch gar nicht. Musik war immer schon allgegenwärtig für mich, weil ich in einem Umfeld aufgewachsen bin, wo Musik einfach immer da war. Ich habe mich dann über Schauspiel und Musical irgendwie zur Musik geschustert. Die Musik hat mir dabei die Freiheit gegeben, meine eigenen Songs zu machen, während man in der Schauspielerei ja vorgegebene Sachen umsetzen muss. Heute ist Musik für mich mein Output, das ich brauche, um für mich klarzukommen in der Welt. Mit meinem Alter Ego To Athena kann ich das auch so in die Welt stellen, dass auch andere etwas damit anfangen können.” Die Songs von To Athena haben ja einen grundsätzlich melancholischen Touch. Bestes Beispiel dafür ist der Song "Angscht" vom Debütalbum, in dem sich Tiffany ihren Ängsten stellt. Bedeutet das, dass sie zu jener Spezies von Musikern gehört, die ihre negativen Gedanken in ihrer Kunst lassen? "Ich bin eigentlich ein sehr positiver Mensch - es hat aber eine Weile gedauert, bis ich mir zugestanden habe, dass ich auch ein paar dunklere Seiten habe, die auch ein wenig Aufmerksamkeit brauchen und mit der Musik gelingt mir das besser dort hinzugucken und dem auch Platz zu geben, damit ich mein Leben aber trotzdem fröhlich führen kann.”
Ist das Leben denn ein Film - wie der Titel des aktuellen Albums nahelegt? "Es gibt zwei Aufhänger für das Album. Der eine ist unsere Welt, die ich manchmal als richtig schlechten Film empfinde - wobei ich mich dann frage, wer sich das ausgedacht haben mag und wer wohl das Drehbuch schreibt? Und das andere ist das ‘sich verstellen müssen’, um eine eine Rolle spielen zu können, mit der man in dieser Welt klarkommen könnte. Es geht darum, das dann abzulegen und zu schauen, wer da eigentlich hinter dieser Rolle steckt und ob man diese Rolle auch sein lassen könnte - ohne sich zu verstecken und zu maskieren. Das sind die zwei Stränge für dieses Album. Ich liebe es aber, dann in meiner Musik bewusst in Rollen zu schlüpfen und diese auch zu spielen.” Welche Rolle spielt denn die Wahl der Sprache für eine Schweizer Musikerin - die da ja schlicht noch mehr Auswahlmöglichkeiten hat, als andere? "Das ist eigentlich so, dass - wenn ich einen Song schreibe - er entweder in Englisch oder Deutsch rauskommt. Und wenn jetzt irgendwas auf Schweizerdeutsch kommt, dann werde ich das nicht ins Englisch übersetzen oder umgekehrt - das ist dann halt ein Gefühl. Mit dem bin ich bislang ganz okay gefahren, merke aber, dass die Themen, die für mich emotional greifbarer sind, meistens dann doch auf Schweizerdeutsch kommen; weil das halt meine Muttersprache ist und die ist für mich einen Ticken ehrlicher und genauer. Der Anspruch an die Qualität des Textes ist dabei aber höher, weil ich mich ganz genau ausdrücken muss und dann ziemlich nackt bin. Deswegen schreibe ich ja auch auf englisch - weil ich da ein paar Sachen für mich behalten kann und nur ich weiß, um was es wirklich geht.”
Die Musik von To Athena ist ja ziemlich voluminös und theatralisch angelegt. Muss Musik für Tiffany Limacher eigentlich größer sein, als das Leben selbst? "Nö", meint sie, "ich glaube das Leben ist eigentlich so groß - wenn man ihm genügend Platz gibt."
1. Was ist deine Definition von "guter Musik"?
Irgendetwas Ehrliches muss dabei sein und es muss etwas in mir berührt werden. Auf das Genre kommt es nicht an. Es ist dann gute Musik, wenn sie irgendetwas mit mir macht. Leider gibt es aber keine Formel, nach der man das beurteilen kann.
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Ich glaube, das Weltgeschehen und die Überforderung davon. Das Album handelt davon, was man machen oder nicht machen müsste, um damit umgehen zu können. Es gab da auch eine Erschöpfungs- und Burn-Out-Welle, die mich ein bisschen geleitet hat, genauer hinzuschauen. Die Zirkusluft, die da mitschwingt, hat mit dem ganzen Hollywood-Glam zu tun, den wir da haben einfließen lassen, weil es ja darum geht, den Schein zu wahren. Das haben wir in der Produktion mit einbezogen.
3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?
Ich glaube jeder sollte die Scheibe kaufen, wenn er ein bisschen Lust hat, dem Alltag zu entfliehen und Zeit hat, sich kurz hinzusetzen und ein wenig in die Musik einzutauchen.
4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker gekauft?
Ach - wenn ich das wüsste. Vielleicht hat es gerade für einen Kaffee gereicht. Als wir angefangen haben, waren wir immer schon ganz viele in der Band und da galt immer, dass die Gage gesplittet wurde. Und das waren zu Beginn pro Person ungefähr sieben Euro.
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker werden wolltest?
Ich glaube das war, als ich zum ersten Mal Queen gehört habe. Ich war damals ja noch ein Kind, bin da aber so geflasht worden, dass ich da richtig reingezogen worden bin. Ich habe mir damals gedacht: "Sowas kann man machen - das ist ja richtig cool!"
6. Hast du immer noch Träume - oder lebst du den Traum bereits?
Ich habe immer noch Träume, aber ich lebe meinen Traum auch ganz doll. Und ich kapier das langsam auch. Ich mache oft die Augen auf und denke mir: "Oh wie cool." Ich bin auch mega-dankbar, dass ich das machen kann. Klar: Es gibt immer Träume, aber ich darf auch realisieren, dass ich im Moment richtig Glück und ein schönes Leben habe.
7. Was war deine größte Niederlage?
Ich glaube, das war eine richtig blöde Casting-Show, bei der ich angemeldet wurde, obwohl ich da eigentlich gar nicht mitmachen wollte. Ich war dann auch noch krank. Die größte Niederlage war dabei aber, dass ich damals nicht für mich einstehen konnte und nicht sagen konnte, dass ich das nicht möchte. Das habe ich inzwischen aber gelernt - und zwar gerade wegen dieser Niederlage.
8. Was macht dich derzeit als Musiker am glücklichsten?
Mit Menschen, die ich gerne habe, etwas erschaffen zu können. Das ist das Benzin, das den ganzen Motor am Laufen hält.
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Das ist eine ganz gute Frage - ich weiß aber nicht, was ich darauf antworten soll. Ich glaube, es gibt in jedem Lied irgendetwas, was gut ist. Ich finde die Art von Musik nicht gut, die einfach gemacht wurde - etwa um noch etwas für die Playlist zu haben - in der aber nichts passiert und die keine Seele hat. Man kann schließlich auch Musik machen, um Geld zu verdienen, die dann aber trotzdem eine Seele hat.
10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf deiner Gästeliste stehen?
Ich fänd's schon cool, wenn David Bowie mal da wäre. Es gibt aber auch ganz viele ältere Künstler wie Freddie Mercury oder Kate Bush, die ich sehr inspirierend finde - und dann gibt es jetzt gerade eine junge Sängerin - Chapell Roan -, die ich ganz großartig finde und die mich richtig mitreißt, obwohl sie eine ganz andere Musik macht, als ich (was mir schon lange nicht mehr passiert ist).