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Interview-Archiv

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INGER NORDVIK
 
Echos im Winterschlaf
Inger Nordvik
Ihre erste LP "Time" hatte die norwegische Teilzeit-Berlinerin Inger Nordvik leider genau in die beginnende Pandemie hinein veröffentlicht. Die Promo-Aktivitäten konnten zwar am Vorabend der ersten Lockdowns noch gestartet werden, doch die Veröffentlichung des Albums - und natürlich alle geplanten Live-Aktivitäten - wurden dann bereits von den Covid-Einschränkungen verschluckt. Es wäre nun also anzunehmen, dass das jetzt vorliegende, zweite Album "Hibernation" schlicht ein Produkt der Pandemie hätte werden müssen. Ganz so einfach ist es aber nicht, da Inger damals bereits begonnen hatte, an neuen Songs zu arbeiten - denn die Produktion des ersten Werkes hatte sich ja mehrere Jahre hingezogen. Das führte dann letztlich dazu, dass Inger auf "Hibernation" verschiedenste Themen abhandelte und in diesem Sinne auch kein Konzeptalbum anstrebte.
Inger schrieb aber zum Beispiel einen konkreten Song namens "Echo", der sich mit dem Thema Meinungs-Bubbles beschäftigt und in dem es darum geht, dass man durch diese Bubble-Bildung dann statt Antworten irgendwann nur noch Echos findet. "Ja, die Songs 'Hibernation' und 'Echo' gehören zusammen", führt Inger aus, "man schaut sich in der Welt um, was es Neues gibt - und bekommt nur noch ein Echo zurück. Auch in der digitalen Welt, in der wir mehr und mehr leben, funktioniert das ja genau so. Ich hatte so etwas auch vor der Pandemie schon mal thematisiert - aber dann war es ganz interessant zu sehen, wie sich das veränderte, als ich in Norwegen physisch isoliert war, als die Welt sozusagen ausgeschaltet war. Es war wirklich krass zu sehen, wie das alles durch die Lockdowns dann noch deutlicher wurde. Das war dann meine Art des Winterschlafes." Dazu sollte man noch wissen, dass sich Inger für die Arbeit an den Songs in eine abgelegene Waldhütte zurückgezogen hatte. Fühlt sich Inger denn auch in irgendwelchen Bubbles verhaftet - oder ist sie offen für Input von außerhalb? "Beides, denke ich", überlegt sie, "aber ich denke, wir haben heutzutage einfach keine Wahl. Ich glaube einfach, dass diese Mechanismen stärker als wir sind. Es ist ja auch so, dass die Entwickler von Apps im Silicon Valley Kontrollfunktionen in diese Apps einbauen, denn diese sind ja darauf programmiert, abhängig zu machen. Das macht sowohl persönlich wie auch politisch etwas mit uns. Das ist vielleicht auch ein demokratisches Problem." Inwieweit hat sich denn die Pandemie-Situation konkret auf die kreative Arbeit ausgewirkt? Viele von Ingers Kolleg(innen), die in der Pandemie Musik machten, sagen ja, dass sie die Lockdowns zwangen, sich viel mehr mit sich selbst zu beschäftigen - weil es ja keinen Input von außen gab. "Ja. Das wurde bei mir auch sehr viel deutlicher", meint Inger, "ich nehme ja sowieso oft die 'Ich'-Perspektive ein - auch wenn ich die Geschichten von anderen erzähle. Selbst wenn ich dann Input von außen bekomme, kommt es dann alles von mir. Nun wurde das besonders deutlich, weil ich ja ganz alleine war." Das geht dann so weit, dass Inger in ihren Songs auch oft mit sich selbst zu sprechen scheint. "Ja, das ist gewiss so", bestätigt sie, "alle meine Lieder sind wie ein Gespräch mit mir selbst oder der Außenwelt. Nun war aber die Außenwelt weit weg - und auch diese digitale Welt." Was war denn der größte Unterschied in Bezug auf die Songs gegenüber dem ersten Album? "Das erste Album habe ich ja über einen längeren Zeitraum geschrieben", erinnert sich Inger, "die Songs waren persönlich und einige waren auch politisch - aber ich glaube dieses Mal war ich eigentlich sogar weniger persönlich. Die Themen sind einfach universeller. Aber natürlich verarbeite ich Geschichten und Gefühle aus meiner Sicht."

Wie ist Inger die neue Scheibe musikalisch angegangen? Abgesehen davon, dass sie mit neuen und mehr Musikern zusammenarbeitet, als auf dem eher Trio-orientierten Vorgänger-Album, ist das neue Material deutlich vielschichtiger, facettenreicher und auch opulenter. Gab es ein Ziel, als Inger ins Studio ging? "Ich glaube, das war mehr so ein intuitiver Prozess", zögert Inger, "man entwickelt sich ja auch weiter. Auf dem ersten Album habe ich viel gelernt und mich Schritt für Schritt vorangetastet. Ich wollte eine ganzheitliche Studioproduktion und die Arrangements haben sich währenddessen entwickelt." Inger verfügt dabei als klassisch ausgebildete Musikerin über ein großes Instrumentarium an Möglichkeiten. Was strebte sie denn diesbezüglich an? "Einige der Themen und Emotionen sind ja eigentlich schwermütig und komplex", führt sie aus, "und ich wollte dann mit dem Kontrast spielen, dass die Produktion dem vielleicht spielerisch und leicht gegenüber steht." Die Arrangements hat Inger alle selbst geschrieben, richtig? "Ja. Ich habe zwar auch dieses Mal - wie auf der ersten LP - den Musikern auch Freiräume eingeräumt - was dann natürlich auch die Arrangements mit beeinflusst hat. Aber die Streicher- und die Bläser-Arrangements habe ich dann alle selber geschrieben." Bläser-Arrangements sind ja neu für Inger. "Das war sehr spontan", erklärt Inger, "ich hatte zuvor noch nicht für Blechbläser geschrieben, aber ich mag es neue Sachen zu lernen. Das entscheidende war aber, dass ich bei den Songs 'Interlude' und 'Asgeir' die Blechbläser bereits im Kopf hatte, als ich diese schrieb. Ich hatte es zuvor mit Streichern versucht, aber das hat nicht gepasst. Ich mag auch diese Art von Nostalgie, die sich durch den Klang von Blechbläsern einstellt." Ihr Ziel hat Inger insofern erreicht, dass die Arrangements mit kompletter Band, Streichern und Bläsern niemals opulent oder plüschig ausgefallen sind - obwohl sie durchaus komplex und vielschichtig sind. Tatsächlich hört sich das dann an, als lasse sich Inger als Sängerin durch die Leichtigkeit der Arrangements treiben. Wie sieht sie sich selbst als Sängerin? "Ich glaube, dass ich schon, als ich klassische Musik studiert habe, die Stimme immer als Teil der Musik gesehen habe", sagt Inger, "es war bei mir nie so, dass ich meine Stimme in den Vordergrund stellen wollte und dann im Hintergrund noch Musik zu hören ist, sondern die Stimme soll immer mit der Musik verschmelzen - wie ein zusätzliches Instrument. Ach wenn ich Musik höre oder selber schreibe, höre ich nicht die Stimme und die Arrangements, sondern immer ein großes Ganzes. Ich glaube, das ist eine Denkweise von mir."
Was ist denn dann der Startpunkt für einen Song von Inger Nordvik? "Gute Frage", lacht Inger, "manchmal gibt es eine Emotion oder eine Geschichte oder ein Thema, das mich interessiert, das in meinem Leben gerade dominant ist - vielleicht gar nicht bewusst. Ich sitze oft am Klavier und probiere Dinge aus und ich glaube, dass das, was ich gerade verarbeite, dann auch irgendwie raus kommt. Aber auch das ist alles sehr intuitiv. Ich glaube, dass ich das, was mich gerade betrifft, in meiner Musik verarbeite." Hat das auch therapeutische Hintergründe? "Ich glaube, singen und Musik zu machen ist die Art, wie ich mich ausdrücke", überlegt Inger, "und ich glaube einfach, dass ich diese Themen, Tendenzen und Gefühle auch damit verarbeite. Zur Selbstanalyse, aber auch um diese Dinge zu verstehen; aber auch um sie für mich zu thematisieren." In einigen Tracks spricht Inger Themen relativ konkret an - aber bei anderen muss man schon wissen, worum es geht. Was folgt Inger beispielsweise in dem Track "It Follows"? "Also dieses Lied handelt davon, konfliktscheu zu sein", gesteht Inger, "es ist schon interessant zu beobachten, wie schwierig es für uns Menschen ist, mit Gefühlen umzugehen. Und wie schwierig es ist, die Wahrheit zu sehen. Das Lied handelt eigentlich davon, dass man vor einem Gefühl, einer Wahrheit oder Erkenntnis zu fliehen versucht, weil man nicht damit umgehen möchte - aber sie folgt! Es ist dann nur eine Frage der Zeit, wann man sich dem stellen muss, was einem folgt." Und dann gibt es einen Song namens "Going Back". Geht es tatsächlich darum, zu irgendetwas oder irgendjemand zurückzukehren? "Alle Lieder können natürlich unterschiedlich interpretiert werden", merkt Inger an, "aber ich glaube, dieses Lied ist eigentlich ein Liebeslied. Es hat aber eine nostalgische Note, mit der man aus der Position einer reifen Liebe auf die erste Liebe zurückblickt, um sich daran zu erinnern, wie schön diese war."
Welche musikalischen Inspirationen gab es für Inger bei diesem Projekt? "Wir haben natürlich alle unsere Referenzen", meint Inger, "die sind Teil einer Symbiose und man hört sich ja auch vieles an. Das ist bei mir aber nicht so bewusst. Ich wollte schon eine bestimmte Art von Produktion haben - aber ich mag es wirklich organisch. Ich liebe diese Band-Sounds der 60er und 70er Jahre. Ich habe mir viel in dieser Art angehört und mag das wirklich sehr. Ich mag auch, wie man damals Streicher-Arrangements mit einer Pop-Produktion zusammenführte. Ich denke da zum Beispiel auch an die Beatles. Und ich versuche meinen Hintergrund als klassische Musikerin auch als Songwriterin zu integrieren. Gerade zum Beginn des Prozesses ist alles ganz frei bei mir. Und dann merkt man natürlich, was passt und funktioniert und was nicht. Auf jeden Fall bin ich sehr offen für alles." Wonach sucht Inger denn in einem Song? "Gute Frage", meint sie, "bei mir ist es so, dass ich am Anfang des Prozesses sehr offen bin - aber wenn ich dann eine Idee habe, dann nehme ich die erst mal auf und höre erst mal zu. Ich spüre dann ganz schnell, ob mir das etwas gibt und interessant erscheint. Das ist das eine. Das andere ist, dass wenn ich ein Lied geschrieben habe und das dann gerne öfter spielen möchte - auch für mich alleine -, ich dann auch weiß, dass das für mich interessant genug ist, das weiterzuentwickeln. Wenn das nicht der Fall ist, dann lasse ich es eben." Nachdem Inger ja mit ihrem ersten Album nur punktuell hatte live auftreten können, arbeitet sie nun daran, eine Tour zu realisieren. Wollen wir mal hoffen, dass das irgendwann ein Mal klappt.
Weitere Infos:
www.ingernordvik.com
www.facebook.com/ingernordvikmusic
www.instagram.com/ingernordvik
www.youtube.com/@ingernordvik1178
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Charles Mignot-
Inger Nordvik
Aktueller Tonträger:
Hibernation
(Asta/Broken Silence)
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