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Konzert-Bericht
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Glasierter Sarkasmus
Courtney Marie Andrews
Twain
Köln, Studio 672 15.04.2018
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"Beim nächsten Stück handelt es sich um ein sarkastisches Liebeslied", kündigte Courtney Marie Andrews bei ihrem ersten Auftritt mit Band in der Domstadt ihren Song "I've Hurt Worse" von ihrem soeben erschienenen, neuen Album "May Your Kindness Remain" an. Und besser hätte sie das, was sie in ihren kunstvoll ziselierten Country-Folkpop- (und neuerdings auch Soul-) Balladen und Mid-Tempo Tracks zelebriert auch gar nicht ausdrücken können.
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Obwohl Courtneys Stücke tendenziell eher melancholischer Natur sind, geht es nie nur um eine Emotion, eine Stimmung, ein Thema, welches in ihren Geschichten zum Tragen kommt. Unter einer vielleicht sogar schillernden und glänzenden Oberfläche lauern so auch immer die düsteren Aspekte des angesprochenen Motivs und die dunklen Flecken auf der Seele. In Fall von "Hurt" ist es zum Beispiel so, dass es hier um ein Beziehungsdrama geht, in dem die menschlichen Unzulänglichkeiten des Gegenüber auf höchst selbstironische und humorvolle Art zunächst anklagend, dann aber stoisch von Courtney analysiert werden um dann in der resignativen Feststellung zu münden: "Mother says we love who we think we deserve - but I've hurt worse, I've hurt worse." Glasierter Sarkasmus also. Das Ganze wird dann in einer von Moll-Akkorden geprägten, rhythmisch aber lebhaftem Country-Arrangement dargeboten. Kurz gesagt: Courtney Marie Andrews schafft es wie momentan kaum jemand sonst, die Widersprüchlichkeiten des Daseins in vielschichtigen, genau beobachteten, detailreichen und absolut glaubwürdigen Szenarien einzufangen und musikalisch darzustellen. Und dass sie diese Stories dann mit absoluter Hingabe, aber ohne großartige Effekte absolut überzeugend und mit einer keinen Widerspruch duldenden Souveränität darzubieten im Stande ist, liegt zu nicht geringem Teil daran, dass sie diese Geschichten dem richtigen Leben abschaut - und sich dabei übrigens des Öfteren von den Erfahrungen inspirieren lässt, die sie bei ihren Dayjobs etwa als Kellnerin oder Barkeeperin machte (wie z.B. im Fall der Songs "Table For One" oder "Rough Around The Edges").
In Köln ist Courtney dabei regelmäßig zu Gast (und feierte zum Beispiel ihren 20. Geburtstag dort) - stand allerdings erstmalig mit ihrer kompletten Band auf der Bühne. Als Support-Act hatte Courtney zudem den schratigen Weirdo Matt Davidson aus Virginia im Gepäck, der unter seinem Pseudonym Twain als angeschrägter Solo-Songrwriter agiert - seit er sich von der Rolle als Bandmusiker bei der Band Spirit Family Reunion verabschiedet hat. Kurz gesagt: Matt ist ein brillanter Musiker, der indes von seinem Genie dergestalt überwältigt zu sein scheint, dass er es nicht mehr richtig kontrollieren kann. Das äußerte sich in Köln durch den Umstand, dass er zwar musikalisch als ungemein virtuoser Gitarrist (und später als Gast bei Courtney auch als Organist) überzeugte, dass aber sein Songmaterial mehr oder minder hilflos und unstrukturiert zerfaserte und er seine mystisch/psychedelischen Lyrics mit einer taumelnden, jaulenden Sirenenstimme vortrug, die immer einen halben Ton über oder unter der Normalität und rhythmisch vor oder hinter dem Flow dahertorkelte. Der Widerspruch zwischen brillanter Instrumentenbeherrschung und der totalen Hingabe der Performance auf der einen und der Hilflosigkeit in Bezug auf erkennbare Formate und Leitlinien auf der anderen Saite war dann schon recht famos. Zwar bot Matt an, das, was er da auf der Bühne vortrug, mit Interessierten nach der Show in ausführlichen Gesprächen zu erläutern - angesichts dessen, dass er da mit bitterernster Mine etwa minutenlange Kontemplationen über das Einfangen kleiner Hündchen vortrug, dürfte dieses Angebot als reine Alibi-Behauptung angesehen werden.
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Der Unterschied zu dem, was Courtney und ihre brillante Band im Folgenden in Sachen Timing, Struktur, Zusammenspiel und Dramaturgie vorexerzierte, hätte jedenfalls nicht größer sein können. Die Show im Studio 672 zeichnete sich vor allen Dingen dadurch aus, dass hier wirklich jedes einzelne Detail stimmte - ohne dass die Sache etwa in seelenloser Perfektion ausartete. Es ist einfach nur so, dass Courtney es in ihrer langen Laufbahn als Songwriterin und Session Musikerin (etwa als Gitarristin für Damien Jurado) gelernt hat, jeweils genau die richtige Balance für jeden Aspekt ihres Tuns zu finden. Es ist hier nie etwas zu laut, zu leise, zu dramatisch, zu distanziert, zu oberflächlich, zu intensiv, zu rau, zu süßlich, zu schrill, zu zurückhaltend - sondern stets auf den Punkt ausgewogen.
Es lohnt sich, mal einen Blick darauf zu werfen, was bei dieser Show eigentlich alles richtig gemacht wurde: So unterlag etwa die Reihenfolge der Songs folgte einer schlüssigen Dramaturgie - mit den stärksten Nummern "Buffalo", "Table For One" oder "Near You" am Anfang, der Little Feat Coverversion "Willin'" (bei der alle Musiker inkl. Twain eine Strophe singen durften) am Ende, "Honest Life" und "Rough Around The Edges" akustisch im Mittelteil und "This House" und "Kindness Of Strangers" mit Courtney am Piano sitzend gleich im Anschluss. Dann waren es entscheidende Details, die die Show am Leben erhielten: Die brillanten, beseelten Soli von Gitarrist Dillon Warnek etwa, der brillante Harmoniegesang bei "Kindness Of Strangers" (der NUR dort zum tragen kam und deswegen besonders effektiv war) oder die lockere Jam Session mit der der bluesige "Border" aufgemischt wurde. Courtney selbst stand bei all dem niemals als Instrumentalistin im Zentrum - hier ließ sie die Musiker brillieren -, brachte aber die Songs mit einer nonchalanten Inbrunst zum Vortrag, die jedoch niemals in Extase umschlug. Sogar das Outfit - mit goldfarbener Country-Bluse, einer ganzen Sammlung von Modeschmuck-Ringen und individualisiertem Gitarrengurt - schien wohl durchdacht und Anlass angemessen. Dabei sprachen die Songs weitestgehend für sich selbst - Courtney war sich aber keineswegs zu schade, kleine Details ins rechte Licht zu rücken. Und weil die Gefahr bestehen könnte, dass Courtney als Person bei all der zur Schau getragenen Übersicht vielleicht etwa etwas zu unnahbar wirkt, legte sie Wert darauf, wirklich allen Fans, die das wünschten, nach der Show für Gespräche, Fotos und Autogramme zur Verfügung zu stehen.
Als Solo-Künstlerin hatte Courtney Marie Andrews in Köln schon oft durch ihre Qualitäten als makellose Songwriterin (und versierte Musikerin) überzeugen können. Heute Abend kam noch die Facette als einfühlsame Bandleaderin hinzu - und auch hier bewies Courtney dann, dass sie genau verstanden hat, worum es auf der Bühne eigentlich geht.
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Surfempfehlung:
www.courtneymarieandrews.com
www.facebook.com/CourtneyMarieAndrews www.facebook.com/twainband
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Text: -Ullrich Maurer- Foto: -Ullrich Maurer-
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