NACHGEHAKT BEI: ANIKA
GL.de: Kannst du noch mal zusammenfassen, was vor dem Album "Change" musikalisch für dich passiert ist?
Anika: 2009 habe ich in Bristol Geoff Barrow und die Band Beak> kennengelernt und wir haben dann ja das erste Album zusammen aufgenommen - was ursprünglich aber gar nicht geplant war. Wir hatten uns eigentlich nur getroffen, als ich als Veranstalterin gearbeitet habe, und langsam keine Lust mehr hatte, weil immer nur dann genug Leute zu den Konzerten kamen, wenn ich Scheiß-Bands gebucht hatte und Geoff ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hatte. Wir haben dann einfach etwas aufgenommen - ohne Ziel. Deswegen gibt es auch die Coverversionen. Danach bin ich nach Berlin zurückgekehrt, weil ich es in Bristol nicht mehr ausgehalten habe. Ich habe dann versucht, in Berlin eine neue Band zusammenzustellen - aber das hat überhaupt nicht geklappt. Und dann dachte ich, dass ich überhaupt keine Lust mehr hätte und bin nach Mexiko gegangen, um der Musikindustrie schnell den Rücken zu kehren. Ich brauchte damals Geld für einen Flug und habe dann ein Konzert organisiert und eine Band zusammengestellt - nur um diesen Flug zu bezahlen. Das hat dann aber so viel Spaß gemacht, mit denen zu spielen, dass ich so wieder Freude an der Musik gewonnen habe. Wir haben dann auch zwei Scheiben zusammen gemacht.
GL.de: Wenn man etwas über Anika liest, wird immer darauf hingewiesen, dass du ursprünglich als politische Journalistin gearbeitet hast. Was hat es damit auf sich?
Anika: Ja, ganz am Anfang wollte ich das in Berlin machen. Ich wollte eigentlich nach Brüssel, um in der EU-Politik zu arbeiten. Ich musste mich dann aber zwischen Musik und Politik entscheiden und wählte dann die Musikindustrie. Geoff hatte mich nämlich in Berlin angerufen und mich gefragt, ob ich Lust hätte die Songs, die wir in Bristol aufgenommen hatten, als Platte zu veröffentlichen - und dann habe ich mich dafür entschieden.
GL.de: Woran lag es denn eigentlich, dass es so lange gedauert hat, bist du dich entschlossen hast, ein zweites Solo-Album anzugehen?
Anika: Es gab auch oft wieder diese Situationen, wo ich wieder aussteigen wollte und ich mir dachte, dass ich keine Energie und kein Geld mehr hätte. Dann gab es aber diese Situation in meinem Leben, wo so viel los war, dass ich die positive Einstellung zu der neuen Platte wiedergefunden habe. Ich wollte aber einfach keine "zweite erste" Platte machen. Ich wollte das alles nicht wiederholen. Deswegen habe ich auch so lange gebraucht. Ich wollte auch warten, bis ich etwas zu sagen hätte.
GL.de: Musikalisch oder inhaltlich?
Anika: Beides. Es ist sowieso alles voneinander abhängig - die Wörter, der Gesang und die Musik. Ich habe fünf Tage im Studio in Berlin gebucht. Ein paar Songs - "Finger Pies", "Freedom" und "Wait For Something" hatte ich zwar zu Hause aufgenommen, aber eigentlich wollte ich aus meinem Haus raus. Ich habe die anderen Songs von Anfang bis Ende im Studio aufgebaut. Ich habe mit Drumloops angefangen, und habe dann Synths aufgebaut, ein paar Akkordfolgen ausprobiert, diese geloopt und dann mit den Wörtern angefangen. Dazu hatte ich eine Kiste Tagebücher mitgenommen und es war dann alles sehr abhängig von meiner Stimmung. Ich habe oft auch viel improvisiert. Dann hatte ich die ganzen Demos und wollte dann, dass Martin von Exploded View die Live-Drums spielt, weil ich gerne mit ihm auch als Produzent zusammen arbeite und selber auch mitproduzieren wollte.
GL.de: Hat die Scheibe dann auch etwas mit der Pandemie zu tun?
Anika: Ja, alles. Es gab 2020 ja sowieso so viele Themen - auch in meinem persönlichen Leben, wie auch in der Welt und die Pandemie.
GL.de: Wonach suchst du denn als Songwriterin?
Anika: Ich muss etwas zu sagen haben. Ich höre sehr viel unterschiedliche Musik gerne. Aber wenn ich selbst etwas schreibe, muss es einen Grund dafür geben. Man muss dann dranbleiben und einfach immer weiter machen und Geduld zeigen, weil alles sehr viel Zeit braucht - und das fällt mir schwer, weil ich immer möchte, dass alles ganz schnell geht.
GL.de: Machst du eigentlich alles selber?
Anika: Ich entscheide alles selber, arbeite aber mit einem sehr guten Team zusammen. Ich habe mir ein Label, einen Publisher, eine Rechtsanwältin und meine Band ausgesucht und alle Deals selbst gemacht. In dieser Industrie muss man nämlich sehr vorsichtig sein und sich die Möglichkeit erhalten, auch mal 'nein' sagen zu können und Entscheidungen zu revidieren. Es bringt auch sehr viel Verantwortung mit sich.
GL.de: Was inspiriert dich musikalisch?
Anika: Ich höre viel unterschiedliche Musik. Während der Pandemie habe ich z.B. im Auto Sachen wie Hole oder Patti Smith oder Goldie gehört - eine Mischung aus meiner Kindheit. Ich finde, man kann von jedem Genre etwas lernen. Es gibt einen Grund für jedes Genre. Ich mag nicht nur eine Richtung.
GL.de: Krautrock magst du aber schon, oder?
Anika: Ja - ich mag Can. Aber das ist ja nicht nur Krautrock, sondern auch experimentell. Ich mag auch Beak> - und das ist ja Englisch. Ich habe auch ein Projekt mit Michael Rother gemacht und das fand ich interessant, denn er hat ja auch ein Platte mit Brian Eno gemacht - und so etwas finde ich auch super. Ich möchte aber auf jeden Fall weiter forschen. Wenn etwas zu sicher ist, dann ist das nämlich nicht das Richtige für mich.
GL.de: Gibt es denn Visionen für die Zukunft?
Anika: Ja, ich wollte immer mal mit einem Streichorchester arbeiten. Aber das habe ich vorletztes Jahr irgendwie schon erreicht, denn ich habe ein Projekt mit dem Berliner Solisten-Ensemble Kaleidoskop gemacht, bei dem wir die Platte "Desertshore" von Nico neu interpretiert und im August 2020 live aufgeführt haben.