NACHGEHAKT BEI: LAUFEY
GL.de: Du bist ja klassisch ausgebildet, hast das Berklee College Of Music besucht und bist über die Plattensammlung deines Vaters zum Jazz gekommen. Wie bist du aber auf die Idee gekommen, diese Einflüsse in deiner eigenen Musik zusammenzuführen und an ein jugendliches Publikum heranzutragen? Denn alles, was du musikalisch machst, ist ja eigentlich sehr viel älter als du selbst.
Laufey: Ja, ich weiß, das ist lustig. Meine Mutter ist ja eine klassische Geigerin und mein Vater liebt die Jazz-Musik. Die Musik, mit der ich zu Hause aufwuchs, war also in gewissem Sinne auch ganz schön alt. Ich liebe aber diese Musik. Meine Lieblingsfilme waren immer schon die Musikfilme aus der goldenen Zeit Hollywoods - und diese hatten auch alle diese Musik. Ich habe mich in diesen zeitlosen romantischen Sound verliebt und der Grund, warum ich diesen leidenschaftlich gerne zurückholen möchte ist der, damit diese schöne Art von Musik nicht in Vergessenheit gerät. Ich hatte das Privileg klassische Musik und Jazz lernen zu dürfen und das sind beides Musikrichtungen, vor denen meine Generation ein bisschen Angst hat, weil sie oft so ernst ist. Ich wollte sie als etwas darstellen, was cool und schön ist und eben nicht so ernst sein muss.
GL.de: Trotzdem beschäftigen sich ja eher ältere Leute mit dieser Art von Musik.
Laufey: Das ist das, was die jungen Leute denken. Aber ich sehe das so, dass das die Pop-Musik ihrer Zeit war und also sollten auch jüngere Leute den Geschmack daran finden können.
GL.de: Die Songs des American Songbook - auf die du dich ja als Inspirationsquelle beziehst, wurden ja von Männern mittleren Alters geschrieben - und zwar nicht für bestimmte Interpreten, sondern so universell, dass jeder sie singen konnte. Du aber schreibst persönliche Songs über die Erlebnisse einer jungen Frau. Ist das Vielleicht dein Ansatz, die Musik für die Jetztzeit zu etablieren?
Laufey: Ja, genau - mein Songwriting erzählt sehr moderne Geschichten über Dinge, mit denen ich zu hadern habe und die ich als 23-jährige Frau im Jahr 2022 durchlebe. Wenn ich auch den Old-School-Sound in gewisser Weise konserviere, habe ich doch neue Geschichten zu bieten, mit denen jüngere Menschen sich identifizieren können.
GL.de: Wie ist es dir dann aber gelungen, deine Zielgruppe zu erreichen?
Laufey: Da ich während Covid mit meiner Musik angefangen habe, konnte ich nicht live spielen und insofern habe ich dann mit Instagram und TikTok gearbeitet, weil das die einfachste Art ist, junge Leute zu erreichen. Ich hatte das Glück, schnell eine Gemeinschaft finden zu können, die diese Art von Musik mochte - ohne vielleicht zu wissen, wie man so etwas nennt. Ich kann mir schon vorstellen, dass das für manche wie Weihnachten oder ein alter Film geklungen haben könnte. Und diese Gemeinschaft hatte ja ansonsten niemand, der sie in diesem Sinne repräsentieren könnte.
GL.de: Da bist du dann wahrscheinlich ja auch immer noch die Einzige, oder?
Laufey: Ja, genau - ich habe noch überhaupt keine Konkurrenz. Darauf warte ich noch.
GL.de: Gibt es denn bestimmte Vorbilder aus der alten Riege für dich?
Laufey: Definitiv. Ich liebe Hoagie Carmichael oder Cole Porter, aber mein Favorit ist Gershwin, weil er Tiefe mit Klassik und Jazz verband. Ich mag aber auch klassische Komponisten wie Ravel oder Rachmaninow, die auf ihre Weise jazzige Akkorde und Harmonien verwendeten.
GL.de: Wie bist du denn zum Songwriting gekommen?
Laufey: Nun, ich schreibe noch gar nicht so lange Songs. Als klassische Musikerin habe ich immer brav das gespielt, was andere geschrieben hatten. Ich hatte mir früher gar nicht vorstellen können, dass man in diesem Setting eigene Songs schreiben könnte. Ich begann also vor drei Jahren, Songs zu schreiben und ich denke, dass meine Songs heutzutage exponentiell besser sind als die, die ich zu Beginn geschrieben habe - was aber nur beweist, dass das Song-Schreiben etwas ist, woran man arbeiten kann.
GL.de: Welchen Anspruch hast du denn als Songwriterin?
Laufey: Ein guter Song sollte eine klare Botschaft haben. Für gewöhnlich beginne ich also mit einem Titel oder einem Konzept. Ich mag es aufrichtig zu sein und in meinen Songs alles genau zu beschreiben. Wenn du dir meine Songs anhörst, weiß du nach ein paar Sekunden, wo du dich befindest, mit wem du zusammen bist, was du isst, was du trägst - all diese kleinen Details, mit denen ich ein sehr klares Bild zeichne. Jeder Song ist wie ein kleiner Film oder eine kleine Geschichte. Für das Album ist das dann wie ein Märchenbuch mit den Geschichten über alles, was ich über die Liebe weiß - was nicht sehr viel ist. Es ist wichtig, dass da eine Prise Humor dabei ist, weil ich über Dinge schreibe, über die nicht viele Leute schreiben, weil man schnell ein wenig überheblich und belehrend rüberkommt, wenn man davon singt. Wenn es also amüsant ist, ist es auch gleich leichter. Meine Lieblingssongs sind die, die mir in einem Rutsch gelingen - weil sich das magisch anfühlt.
GLde: Gibt es dabei auch phantastische Elemente oder eine Prise Utopia?
Laufey: Ganz bestimmt. Ich habe mein Projekt ja während der Covid-Pandemie begonnen. Während der Pandemie war ich an der Uni und als ich nach Hause zurückkehrte, wurde mir doch viel genommen. Ich hatte mein soziales Leben verloren und musste mich in meinen Kokon zurückziehen - was nicht lustig ist, wenn man 20 ist. Also habe ich angefangen über traumähnliche, extravagante Szenarien zu schreiben - als Flucht aus der Realität.
GL.de: Noch eine Sache: Du hast ja eine vergleichsweise tiefe Stimmlage. Wie siehst du dich denn als Sängerin? Du hast ja einen Song geschrieben, in dem du Chet Baker erwähnst - und dessen Gesang wurde oft mit seinem Trompetenspiel verglichen.
Laufey: Deswegen habe ich ja Cello spielen gelernt - weil ich eine tiefere Stimme habe. Meine Zwillingsschwester Junia hat eine etwas höhere Stimme, und deswegen spielt sie Geige. Ich habe deswegen stets eine tiefe Verbindung mit meinem Instrument verspürt. Wenn man Cello lernt, erkennt man schnell, dass es da viele lang gezogene Töne, Vibratos, Dynamiken und Nuancen gibt, die an Gesang erinnern. Mir ist schon oft gesagt, dass ich wie ein Cello singe. Meine Gesangslehrerin hat mir ein Mal gesagt: "Mach mal halb lang mit dem Legato - du singst wie ein Cello und brauchst das eigentlich gar nicht zu tun". Ich denke, das ist etwas Unterbewusstes. Es funktioniert auch umgekehrt: Wenn ich singe, denke ich oft an ein Cello. Was den Gesang betrifft, habe ich Vorbilder wie Ella Fitzgerald, die mein erstes Vorbild als Sängerin war und nach wie vor meine Haupt-Inspirationsquelle ist. Seither habe ich auch Chet Baker oder Astrud Gilberto als Vorbilder entdeckt. Das sind alles Sänger(innen), die nicht total röhren und ich mag es, wenn etwas milde und fast gesprochen klingt. In den letzten beiden Jahren habe ich meinen Gesangsstil ein wenig modifiziert, das Drama heruntergefahren und es mehr in Richtung Sprechgesang gelenkt - und zwar weil ich eine Geschichte erzählen will, und die braucht gesanglich nicht alles, was möglich ist. Ich mag es nicht, in übertriebenen, theatralischen Bahnen zu denken.
GL.de: Du hast ja schon ziemlich viel in ziemlich kurzer Zeit erreicht. Welche Träume hast du denn noch?
Laufey: Man kann ja nie wissen, in welche Richtung sich die Sache entwickeln wird, aber was ich sagen kann ist, dass ich mein Ziel, jungen Leuten den Jazz nahezubringen, weiter verfolgen möchte - auch weil das nicht genügend andere Leute tun. Mein Traum ist es aber, ein Mal in der Royal Albert Hall oder der Carnegie Hall in New York zu spielen. Denn ich denke, es würde Spaß machen, junge Leute an diese klassischen Orte zu bringen, um ihnen zu zeigen, wie magisch diese sind. Und ich würde gerne mal einen James Bond-Song schreiben, denn bislang sind meine Songs noch nicht in Filmen aufgetaucht.