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Konzert-Bericht
 
Pop ohne Entschuldigung

Sofia Portanet
Floss

Berlin, Bildungs- und Kulturzentrum Peter Edel
26.04.2024

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Sofia Portanet
Selbst eingefleischte Berliner Konzertgänger, der Booker und sogar Sofia Portanet selbst waren überrascht über den Ort, an dem die Berliner Musikerin ihr offizielles Release-Konzert zum vor einigen Wochen erschienenen zweiten Albums "Chasing Dreams" spielen sollte: Dem Bildungs- und Kulturzentrum Peter Edel im Bezirk Weißensee. Das altehrwürdige Gebäude, das bereits 1885 errichtet wurde und im Laufe seiner wechselvollen Geschichte schon als Brauerei, Kino, sowjetisches Volkshaus und Kreiskulturhaus gedient hatte - bis es von 2007 bis 2020 brach lag, bevor dann ab 2020 der Betrieb wieder aufgenommen wurde. Zunächst fanden dort Lesungen, Parties, und Tanzveranstaltungen statt; nun aber auch Live-Konzerte.
Der im Stile eines Ballsaals eingerichtete große Saal ist zu diesem Zweck auch gut geeignet, verfügt über eine hohe Bühne, die auch für Theaterproduktionen geeignet ist, einen Vorhang, den man zum Umbau zuziehen kann und auch einer hocheffizienten Beleuchtungsanlage Platz bietet. Alles in allem war das dann der vielleicht nicht offensichtlichste, aber sicherlich ideale Ort für die "Homecoming"-Show der Berliner Künstlerin. Da die eigentlich für diesen Zeitraum angesetzte Tour Sofias auf den Dezember verlegt worden, konnten sich die Berliner Fans also glücklich schätzen, dass zumindest diese Show dann wie geplant stattfinden konnte. Was dabei sofort ins Auge fiel, war die unglaublich bunte Mischung des Publikums. Praktisch alle Altersklassen waren paritätisch vertreten und offensichtlich auch all möglichen Fanklassen. Neben den zu erwartenden Teenie-Girls, die die Leitfigur-Funktion zu schätzen wissen, die Sofia Portanet als Pop-Star heutzutage ausübt, fanden sich auch ergraute Rocker, Darkwave-Eleven, mittelalte Feuilleton-Freunde, Hippies und Mainstream-Freunde - gerne auch aus dem "Ausland" - im Saal ein und feierten alle einträchtig und gemeinsam den "neuen" Portanet-Sound.

Als Support hatte sich Sofia die junge Berliner E-Pop-Künstlerin (und Fashion-Designerin) Floss eingeladen, die ihre Musik als "Feministischen Fantasy Pop" und sich selbst als "Maximalistin" bezeichnet. Nach dem Motto "mehr ist mehr" präsentierte sie sich dann auch bei dieser Show mit "mehr Bass, mehr Farbe und mehr "oomph"). Zusammen mit ihrer "Frau an den Tables" (die dann für das ein- und ausschalten der Backing-Tracks zuständig war) führte Floss das Publikum durch die durchgestylte, Barbie-bunte Wunderwelt ihrer ziemlich kurzweiligen und unterhaltsamen Empowerment-Tracks, die sie - mit viel Bass, smarten Moves und jeder Menge Attitüde - mit einem gewissen Hang zur Theatralik als Drama-Queen interpretierte, die gerne alles unter Kontrolle hätte. Das klappte jedoch nicht ganz so gut. Die Aufforderung an das Publikum, sich in Sachen "Slow-Motion-Moshpit" zu versuchen oder eher komplexe Lyrics mitzusingen, zeitigten nur mäßigen Erfolg. Nötig hätte Floss solche Animationsroutinen eigentlich nicht, da ihre Musik - mit Club, R'n'B- und Disco-Elementen - eigentlich auch ohne Agitation funktionierte. Vor allen Dingen deswegen, weil das Thema des Abends - Pop ohne Entschuldigung - da schon mal klar vorgegeben wurde.
Zu Beginn ihrer Laufbahn als Recording Artist wurde Sofia Portanet noch wegen ihres originellen Engagements für Dichter der Romantik - die sie in ihren Lyrics zitierte - und der amüsanten Weise, wie sie mit knackigen New Wave-Elementen die gute alte Neue Deutsche Welle wiederbelebte bzw. neu interpretierte gelobt. Auf diesem Erfolgsgeheimnis für ihre zweite Scheibe "Chasing Dreams" nahtlos aufzusetzen, war für Sofia Portanet keine Option - denn sie wollte sich ja schließlich als Künstlerin und als Mensch weiterentwickeln. Und so richtete Sofia die neuen Songs - für die sie sich lange Zeit nehmen musste, wie sie auch während der Show erklärte - an ihrer aktuellen Lebenssituation aus und dem, was sie in dieser Phase selbst inspirierte. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist dann eben das Album "Chasing Dreams", mit dem sich Sofia als Pop-Künstlerin präsentiert - eben ohne sich dafür zu entschuldigen (das ist dem englischen Begriff "unapologetic" geschuldet, den es so bei uns nicht gibt). Was bei militanten Schubladendenkern gegebenenfalls für Kopfschütteln gesorgt hatte, erwies sich an diesem Abend dann als Erfolgsgeheimnis - denn die Show im Peter Edel erwies sich als außerordentlich vielseitig, lebendig und mitreißend. Bessere Unterhaltung am Samstagabend wäre jedenfalls kaum denkbar.

Auf der technischen Ebene ließe sich vermelden, dass Sofia und ihre neue, junge Band vielleicht mit mehr Verve und Druck zu Werke gingen, als bisher gewohnt. Das lag auch daran, dass die Sache entschlackt worden war. So spielte die Band etwa ohne eigenen Bassisten, das Keyboard-Setting war verkleinert worden und vor allen Dingen ging Gitarrist René Riewer - der bei dieser Show Steffen Kahles ersetzte - die Sache mit einem gewissen Rock-Star-Drive an. Auf der anderen Seite fiel dann auf, dass sich Sofia selbst bei dieser Show im Vergleich zu vergangenen Tagen weniger überlebensgroß, theatralisch und überkandidelt präsentierte und sich somit authentischer gab - wobei sie ihre Aufgabe als Entertainerin und den Kontakt zum Publikum dennoch niemals aus den Augen verlor. Vielleicht war das auch der Grund, warum sie ihren exaltiertesten Track "Planet Mars" ganz ans Ende der Show verbannte.

Ansonsten präsentierte sie das Programm ihrer beiden Scheiben bunt gemischt, wechselte ab und an mal die Sprache (sowohl der Ansagen, wie auch der Songs) und nutzte die Gelegenheit, Tobias Bamborschke von Isolation Berlin für den Track "Lust" (den sie letztlich mit ihm zusammen geschrieben hatte) für einen zurecht umjubelten Gastauftritt auf die Bühne zu holen. Im Zugabenblock spielte Sofia dann noch eine Akustik-Version des Chansons "Racines" - der sich im Titel sicherlich auch auf ihre "Wurzeln" bezieht) und das auf Spanisch intonierte "Coplas", einer Coverversion eines Stückes ihre Vaters, das dieser ursprünglich für seine Flamenco Band geschrieben hatte, das hier aber - wie auf der Scheibe auch - mit leicht ironischen Augenzwinkern im lebendigen Pop-Arrangement geboten wurde.

Es ist dann auch dieses ironische Augenzwinkern, das die Musik und auch die Live-Shows Sofias kennzeichnet und all jenen den Wind aus den Segeln nimmt, die ihr Kalkül oder Profilsucht vorwerfen - anstatt sich darüber zu freuen, dass auch hierzulande gut gemachte Popmusik durchaus Sinn machen kann. Und überhaupt: Nur weil es hier deutsche Textzeilen in einem Pop-Kontext zu hören gibt, ist das noch lange kein Schlager (nicht ein Mal der Titel "Ballon" - denn da geht es um Kindheitserinnerungen und nicht ums Party-Machen). Der Erfolg und der Zuspruch geben Sofia Portanet mit diesem Konzept jedenfalls recht und macht sie auch zu einem der nahbareren Popstars unserer Tage (noch agiert sie auf einem Level, das es ihr ermöglicht, nach der Show noch eine Stunde lang Autogramme zu geben). Es gibt dann jedenfalls nichts, was davon abraten könnte, die Konzerte Sofias bei der anstehenden Konzert-Saison oder auf der offiziellen Tour im Winter zu besuchen.

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Surfempfehlung:
www.facebook.com/sofiaportanet
sofiaportanet.bandcamp.com
www.youtube.com/@sofiaportanet7461/videos
www.instagram.com/sofiaportanet
www.facebook.com/flossophie
www.instagram.com/floss.world
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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