Das ursprünglich noch im alten Studio 672 geplante Konzert fand nun - an gleicher Stelle - im runderneuerten Club Jaki statt. Mit großem Aufwand war das alte Studio tiefergelegt und entkernt worden, um dann als Hommage an den großen Kölner Jaki Liebezeit seine Wiederauferstehung als moderner Musikclub zu feiern. Übrigens ohne störende Säulen im Blickfeld und mit einer deutlich breiteren und erhöhten Bühne. Endlich also haben in dieser Location mehr als die vier Leute, die im alten Studio direkt vor der Bühne standen, die Chance die betreffenden Acts auch sehen zu können. Zwar konterkarierte Josin diesen Mehrwert dann gewissermaßen dadurch, dass sie die Show etwa zur Hälfte sitzend hinter ihren Keyboards absolvierte - aber das Interessante war dann eigentlich die andere Hälfte, da Josin hier immer öfter den Mikroständer zur Seite dreht und mit dem Mikro in der Hand stehend ihre Songs animiert. Zwar greift sie dabei nur noch ein einziges Mal - bei ihrem Klassiker "Feral Thing" - zur Gitarre, aber ansonsten ist sie bemüht, etwas Bewegung in das statische Set zu bringen, indem sie sich selbst in Trance tanzt. Nun macht Josin - trotz der nach wie vor zahlreichen elektronischen Elemente - keine klassische Club-Musik; aber sie könnte dies tun, wie einige Songs mit entsprechenden Rhythmustracks eindrucksvoll belegen. Vielleicht ist das ja ein Element, dass sie in der Zukunft betonen könnte (zumal sie eine Zeitlang erwogen hatte, mit einem Live-Drummer aufzutreten).
Momentan treibt sich Josin musikalisch eher noch am Grunde jenes Ozeans herum, der in ihren Songs (und nicht nur in "Oceans Wait") seine Anziehungskraft auf sie auszuüben scheint. Josin schreibt "todtraurige Liebeslieder" wie z.B. "Midnight Sun" (dem ersten Stück, bei dem der Text vor der Musik da war), übt sich im konstruktiven Nihilismus (der Titeltrack ihres Albums "In The Blank Space" entstand in einer Phase, in der sie davon überzeugt war, eigentlich nichts mehr zu sagen zu haben) oder sie übt sich in der dramatischen Tragödie und meint dazu "das muss von der Oper kommen" - was kein Wunder ist, da ihre Eltern beide Opernsänger sind. Das ist also auf eine flüssige Weise alles ziemlich geerdet - nur eben nicht auf dem Land, sondern am Grunde des Ozeans, was auch damit zu erklären ist, dass Josin mit ihrer Musik mittlerweile einen hypnotischen Sog entwickelt, mittels dessen sie den Zuhörer einfach mit auf die Reise in die Tiefe nimmt. Auch wenn das für Freunde "handgemachter akustischer Musik" schwer nachzuvollziehen ist: Josin Shows sind auf faszinierende Weise unterhaltsam und überhaupt nicht langweilig, wie es auf dem Papier vielleicht eigentlich zu erwarten wäre.
Was gab es Neues? Nun, da Josins Arbeitsweise nicht eben als "hastig" zu bezeichnen wäre und sie seit der Veröffentlichung der LP viel unterwegs war (u.a. in Island, Kanada und den USA), gab es keine neuen Stücke (bis auf eine - offiziell noch nicht betitelte - Kollaboration mit Ólafur Arnalds); aber Josin hat zumindest einen neuen Freund. Dessen Name ist Juno und er arbeitet als analoger Synthesizer im Team mit Josins Laptop, auf dem dessen analog eingespielte Sounds geloopt und verfremdet werden. "Wir verstehen uns im Prinzip gut, aber noch nicht blind", erklärte Josin das Prinzip und nutzt zur Zeit noch Spickzettel, um die komplexen Sound-Settings des Gerätes live zu justieren. Es waren dann aber gerade die Sounds dieses Instrumentes, der sich als willkommene Ergänzung des Klangbildes erwiesen und Josin ganz neue Möglichkeiten bietet, das etwa starre Klangkonzept mit Piano und vorprogrammierten Bestandteilen aufzubrechen. Tatsächlich führt das sogar dazu, dass die Sache sogar überwiegend organisch rüberkommt.