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Im Abenteuerland - Teil 2

Heimspiel Knyphausen

Eltville, Draiser Hof
29.07.2023/ 30.07.2023

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Ätna
Weiter ging es denn mit einer Band, die es eigentlich schon gar nicht mehr gegeben hatte. Denn Muff Potter hatten sich bereits 2009 offiziell aufgelöst. Nachdem Thorsten Nagelschmidt und seine Jungs aber zehn Jahre später plötzlich wieder live auftraten und dann 2019 sogar eine neue Scheibe herausbrachten, war klar, dass das letzte Kapitel in Sachen Muff Potter also noch nicht geschrieben sein sollte. Bei dem Auftritt in Eltville schwelgte Nagelschmidt dann auch in nostalgischen Erinnerungen - allerdings keineswegs Muff Potter betreffend, sondern das Jugendzimmer Gisbert zu Knyphausens, das Nagelschmidt vor der Show hatte besichtigen dürfen und in dem sich Gisberts erste Gitarre gefunden hatte, die Nagelschmidt nun (in Vertretung Gisberts, der am dritten Tag ja als Bassist bei Paula Paula agieren würde) zum ersten Mal auf dem Knyphausen-Event spielte. Die Sache hatte nur einen Haken: Das Ding ließ sich nicht stimmen und insofern geriet dann diese Aktion ganz schön schräg. Sei es drum: Muff Potter feierten ihren Auftritt mit schniekem Business-Suit, jeder Menge stadienreifer Posen und mit einem Dank an die Toten Crackies, die ja aus dem anderen Teil der Bundeshauptstadt stammten und somit das Berlin-Bild auf dem Festival künstlerisch vervollständigt hatten. Der Sound des Ensembles ist mittlerweile auf einem soliden, gut situierten Rock-Level angekommen - dennoch gaben sich die Herren performerisch immer noch eher als junge Wilde.
Eine der Eigenarten des Heimspiel-Festivals ist ja die, dass hier konsequent Künstlern Raum gegeben wird, die auf gesangliche Darbietungen verzichten. Wie zum Beispiel auch Martin Kohlstedt. Der smarte Leipziger ist aber auch mit seinen modularen Kompositionen und Improvisationen auf Klavier, E-Piano und Synthesizern aller Art so sehr beschäftigt, dass er sowieso unmöglich auch noch hätte singen können. Das heißt aber nicht, dass der genresprengende Künstler sich als unkommunikativ zeigt. Sowohl im Dialog mit dem Publikum, wie auch mit seinen Instrumenten und - wie es scheint - mit sich selbst zeigt Kohlstedt als Live-Künstler eine Beweglichkeit, einen Wagemut und einen Variantenreichtum, der vielleicht ordentlicher strukturiert arbeitenden Kollegen schlicht abgeht. Das bedeutet dann, dass jede Kohlstedt-Show tagesformabhängig anders ist und sowohl für das Publikum wie auch den Künstler selbst Kurzweil, Spannung und Überraschungen galore bietet. "Ich fühle es - heute wird ein guter Tag", meinte Kohlstedt als er die Vibes des Festivals in sich aufzunehmen und mit großer Begeisterung und Faszination und Spielfreude auf seine Musik zu übertragen schien - solange ihm nicht der Kopf dazwischen kam und ihm ein Ende bescherte, wo er doch eigentlich im Moment hatte verweilen wollen (wie er gar nicht scherzhaft erklärend erwähnte).

Seit Inéz Schaefer und Demian Kappenstein a.k.a. Ätna vor fünf Jahren zum ersten Mal in Eltville aufgetreten waren, ist eine Menge passiert für das Duo aus Dresden. So erschienen zwischenzeitlich mit "Made By Desire" und "Push Life" zwei Longplayer und etliche Kollaborationen (unter anderem auch mit Martin Kohlstedt) und obendrein entwickelten sich Ätna von Performance zu Performance zu einem der angesagtesten und heißesten Live-Acts überhaupt - eine Entwicklung, für die mit der Prämierung des Anchor-Live-Awards auf dem Reeperbahn Festival 2020 endgültig der Grundstein gelegt wurde. So etwas verpflichtet. Und so überraschten Ätna in Eltville zum Abschluss des zweiten Festivaltages mit einer Bühnenshow, die sicherlich zu den originellsten und innovativsten der Jetztzeit zählen dürfte. Ganz egal was man nun von den soundtechnischen Gimmicks halten mochte - wie der Micky-Maus-Stimme und den Autotune-Effekten, die das neue Album so irritierend machen - in Sachen Stage-Dynamics und Dramaturgie macht Ätna so schnell niemand etwas vor. Und dabei ging es nicht um simple Showeffekte, deren sich jedermann hätte bedienen können, sondern um echte, innovative Installationen: Neben extravaganten Kostümen zählten dabei fahrbare Keyboard-Podeste, eine riesige Kugel-Skulptur, Hüpfbälle, Laser-Handschuhe, Trampolin-Federn, ein Mirroball-Helm und Laser-Pointer zu integralen Bestandteilen der Show. Die Begeisterung der Fans wurde eigentlich nur durch die eigenartige Angewohnheit des Duos gebremst, den Flow der Tracks immer wieder mit Stops und Breaks zu brechen. Ein besonderes Highlight gab es dann noch, als Martin Kolhstedt noch ein Mal für einen Gastslot als Soundmanipulator mit auf die Bühne geholt wurde. Rein performerisch und unterhaltungstechnisch gehörte dieser Auftritt sicherlich zu den beeindruckendsten Ereignissen auf der Heimspiel Bühne. Schade allerdings, dass das Ganze so ineffektiv beleuchtet war und der Kunstnebel-Einsatz dann doch arg übertrieben wurde. Wenn man sich schon solche grandiosen Show-Features einfallen lässt, dann hätte es doch nicht geschadet, wenn diese allesamt auch gut sichtbar gewesen wären.

Der Dritte Tag begann erstmal mit einem veritablen Starkregen, der das Festivalgelände ordentlich unter Wasser setzte. Selbst durch das Zelt, in denen die Künstlerin Ute Krafft die Handskulpturen der am Festival beteiligten MusikerInnen ausgestellt hatte, floss zunächst mal ein Bach. Zum Glück wechselte das Wetter danach gleich wieder in den Sommer-Modus, so dass rechtzeitig zum Auftritt der diesjährigen "Heimspiel Hoffnung" - dem Alltstar-Ensemble Paula Paula - alle wesentlichen Pfützen wieder weggetrocknet waren. Paula Paula ist der Name des Band-Projektes der Songwriterin Marlène Colle, die sich damit von ihrem bisherigen, eher Chanson-orientierten Solo-Programm in Richtung Indie-Pop absetzt. Zur Band Paula Paula gehört unter anderem die kanadische Cellistin Kristina Koropecki - die schon des Öfteren auf der Heimspiel-Bühne zu Gast war - sowie Marlènes Partner Gisbert, der sich hier in seiner Eigenschaft als Bassist einbringt. Die vielschichtige Instrumentierung (bei der Marlene selbst öfter in die Tasten greift) machen dann selbst leichtfüßig/geradlinige Pop-Songs wie "Digitale Augen" zu hörenswerten, spielfreudig aufgebohrten musikalischen Experimenten. Ein wenig zu viel erhobener Zeigefinger und das andauernde Drücken auf die Empowerment-Drüsen wurden dann beispielsweise durch eine Einfühlsame Hommage an die gerade verstorbene Sinead O'Connor wettgemacht.

Etwas komplizierter wurde es bei dem Berliner Liedermacher Tristan Brusch, der - solo und akustisch - die Songs seines neuen Albums "Am Wahn" präsentierte. Dieser erweckte nämlich den Eindruck eines traurigen Kleiderständers, der auf eine lustigen Kopfbedeckung gewartet hatte, aber stattdessen jenen Schlapphut erhalten hatte, mit dem er nun - gut gelaunt, aber mit stoischer Miene - bevorzugt die melancholischen Elegien seines Oeuvres zum Besten gab. Will meinen: Tristan Brusch agiert als Performer auf subtil vielschichtige Art und Weise. Die Tatsache, dass er dabei eher Poet als Hitproduzent ist, zwang zum Zuhören und das lohnte sich auch durchaus - gleichwohl sich die Zuhörer denn eben auf einen Ruhepol mitten im Konzertgeschehen einlassen mussten. Insbesondere die Art, seine aufrichtigen Sozialkommentare mit einer blumenreichen Kunstsprache jenseits hipper Knüppelreimtrends zu verbrämen, zeichnet ihn dabei aus.

Als eine Art "Suprise Act" wurde der Auftritt von Dota Kehr und ihrer Band erst lange, nachdem das Festival restlos ausgebucht war, als abschließender Act für den Festival-Sonntag angekündigt. Die ursprüngliche Idee, das Festival mit einer Art Brunch-Party auslaufen zu lassen, wurde dadurch natürlich ein wenig konterkariert, denn die sichtlich gut aufgelegte Dota ließ es sich nicht nehmen, mit ihrer Band bis weit in den Nachmittag hinein ein komplettes Set mit gleich mehreren Zugaben zu spielen. Dabei ging es gar nicht darum, das aktuelle Album "In den Fernsten der Fernen" (einer zweiten Hommage an das Wirken der Poetin Mascha Kaléko) zu präsentieren, sondern das Publikum mit durch eine Reise durch die wunderliche Musikwelt der Kleingeldprinzessin zu nehmen - und dabei zu zeigen, dass generationenübergreifende, zugängliche Popmusik mit deutschen Texten keineswegs banal und comedylastig ausgelebt werden muss. Ob mit oder ohne die Hilfe der kleinen Weltraumfee Galaktika, die natürlich gemeinsam mit dem Publikum gerufen wurde. Der Auftritt von Dota Kehr war schon lange für das Heimspiel angedacht gewesen - und dass es nun endlich geklappt hatte, sorgte offensichtlich für eine zusätzliche Motivation bei den Musikern, so dass die Show am Ende einen regelrechten Party-Charakter annahm. Und eine ganz besondere Motivation war natürlich dadurch gegeben, dass Gisbert zu Knyphausen als Duettpartner bei dem Song "Wenn einer fortgeht" dann auch praktischerweise auf der Bühne zur Verfügung stand.
Und als sich dann zum Abschluss noch ein Mal die ganze Familie Knyphausen auf der Bühne versammelte und Florentine das Datum des nächsten Heimspiels (26.07.-28.07.24) verkünden durfte, war schon klar, dass das im nächsten Jahr gewiss im gleichen Stil weitergehen würde mit der Party im Abenteuerland zu Knyphausen.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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