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Konzert-Bericht
 
Hingebungsvoll

Cash Savage & The Last Drinks
Slowklahoma

Köln, Bumann & Sohn
24.10.2023

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Cash Savage
Kurz gesagt: All das, was wir zum letzten Konzert von Cash Savage & The Last Drinks im Kölner Bumann & Sohn vor ziemlich genau einem Jahr sagten und feststellten, gilt auch heute noch. Und das, obwohl inzwischen das aktuelle Album "So This Is Love" auf dem Glitterhouse Label erschienen ist - das die Australierin von einer bislang ungewohnten, emotionaleren Seite zeigte. Mit epischer Wicht, nachdrücklichem Sendungsbewusstsein und großer Ernsthaftigkeit und natürlich mit Köpfchen gehen Cash Savage und ihre Musiker ergo also immer noch vor. Dann allerdings neuerdings auch mit Herz und Verletzlichkeit. Das ist sicherlich der aktuellen LP geschuldet, die in der Pandemie entstand und auf der Cash Savage auch die Lowpoints ihres Lebens mit sich diskutiert.
Als Support-Act kurzfristig eingesprungen war der Kölner Musiker, Kontrabassist und Komponist Victor Gelling, der mit Material seiner Psycho-Wave-Band Slowklahoma im Solo-Modus aufwartete. Auch wenn er offensichtlich nicht genug Zeit gehabt hatte, das Set handwerklich sauber vorzubereiten, präsentierte er sich als motivierter Performer, der sich alle Mühe gab, das schräge Material halbwegs sortiert rüberzubringen. Auch wenn es unmöglich war, seine Songs ohne die Bandmitglieder adäquat repräsentieren zu können, verließ er sich dabei eher auf die skurrile Qualität des Songmaterials als auf handwerkliche Finesse. Darin werden zu hanebüchenen Schrammelpop-Attacken und verquerer Elektronik so unterschiedliche Personalities referenziert wie Magnetic Fields, Neil Young, Siegried Jähn oder Andy Kaufman. Sagen wir mal so: Auch wenn da nicht jeder Ton dort saß, wo er sicherlich hingehört hätte, machte diese Sache dann doch zumindest mal neugierig auf das Band-Projekt Slowklahoma.

Das verbindende Element von der letzten zu dieser Show von Cash Savage & The Last Drinks im Bumann & Sohn war der Song "600$ Short On The Rent" von der aktuellen LP, den Cash & Co. bereits letztes Mal gespielt hatten und der - wie die anderen Songs des Albums auch - eher im Schmirgelblues-Setting angesiedelt ist, als die rockigeren, älteren Tracks der Band. Damals wie heute erklärte Cash Savage, dass dieser Song nicht - wie von vielen vermutet - von der Pandemie, der Einsamkeit oder von Lockdowns handele, sondern davon, dass sie sich darin mit ihrer geistigen Gesundheit auseinandergesetzt habe - was dann den dräuenden Charakter des Songs und die zur Show getragene Unerbittlichkeit erklärte. Mit diesem Song wurde dann auch der Tenor für die ganze Show vorgegeben, denn die Band spielte fast die gesamte neue LP, bevor im letzten Teil des Sets einige ältere Rausschmeißer wie "Rat A-Tat-Tat" oder "Run With The Dogs" zum Tragen kamen.

Es gab dann auch gleich wieder die Fraktion der "früher war alles besser"-Freunde, die angesichts dieses Programmaufbaus mit weitestgehend neuen Tracks kritisch mit den Augenbrauen wackelten - aber schließlich sind Cash Savage und The Last Drinks ja nicht als Jukebox oder Crowdpleaser unterwegs. Letztlich funktionierte das Set-Up dann auch, weil die Songs in einem interessanten Spannungsbogen angeordnet waren, der bereits mit dem dritten Song - einer sich unerbittlich zum emotionalen Orkan steigernden, epischen Version des LP-Closers "Shake From The Heart" einen ersten Höhepunkt erreichte. Die Intensität, die sich bei Cash Savage-Shows ansonsten eher mit brachialen, ineinander verwobenen Gitarren-Figuren Bahn bricht, manifestierte sich bei diesem Song - und etlichen folgenden - etwa durch die gesangliche Inbrunst mittels der sich Cash Savage selbst, Kat Mear und Nick Finch hingebungsvoll verwirklichten. Mag ja sein, dass das neue Material weniger politisch angelegt ist als das früher schon mal der Fall war - aber intensiv und unerbittlich ist der Vortrag immer noch. Und abhotten konnte man dann ja auch wie gewohnt bei Tracks wie bei "Run With The Dogs" (und das taten die Fans auch). Cash Savage und ihren Musikern schien das jede Menge Spaß zu machen - und so kam es denn dazu, dass sich nicht nur Kat Mear (die mit ihrer psychedelischen Folk-Fidel zunehmend prägender für den Gesamtsound der Band wird) und Nick Finch immer wieder angrinsten, sondern sich auch Cash Savage ein Lächeln gelegentlich nicht verkneifen konnte. Klare Sache: als verlässlich begeisternde Live Band in Sachen Indie-Rock stecken Cash Savage & The Last Drinks zur Zeit so ziemlich die ganze Konkurrenz in die Tasche.
Cash Savage
NACHGEHAKT BEI: CASH SAVAGE

GL.de: Viele australische MusikerInnen haben ja - unabhängig von ihrer musikalischen Ausrichtung - in letzter Zeit viel Wert darauf gelegt, ihre Verbundenheit mit den Rechten der indigenen Gemeinschaften Australiens zum Ausdruck zu bringen. Wie stehst du denn zu dem gerade mehrheitlich abgelehnten Referendum über ein größeres politisches Mitspracherecht für die indigenen Gemeinschaften?

Cash Savage: Das ist eine komplizierte Sache, bei der es nicht reicht, alleine darauf hinzuweisen, dass Australien immer noch ein rassistisches Land ist - was es ist. Ich habe natürlich mit "Ja" gestimmt. Es wundert mich aber nicht, dass das Referendum abgelehnt wurde. Das war eine ganz abgekartete Sache. Es hätte dieses Referendum gar nicht gebraucht, denn wir haben die Politiker ja gewählt, damit sie solche Entscheidungen für uns treffen. Das Referendum wurde aus politischen Gründen inszeniert, um sich der Wählergunst zu versichern. Jeder Premier, der das wirklich gewollt hätte, hätte eine notwendige Verfassungsänderung initiieren können, denn der Senat hatte ja schon dafür gestimmt - aber sie haben es nicht gewollt. Weder Malcom Thurnbull, der schon während des Ururu-Statement From The Heart von 2017 keine Änderungen vornahm, noch Scott Morrison noch Anthony Albanese. Australiers Behandlung der First Nations war und ist fortwährend einfach abscheulich.

GL.de: Kommen wir mal zur aktuellen Scheibe. Woran liegt es denn deiner Meinung nach dass diese weniger zornig, dafür aber persönlicher geraten ist, als die bisherigen Alben? Hatte das mit der Pandemie-Phase zu tun?

Cash Savage: Ja - ich denke aber, dass das Album nicht persönlicher ist als die anderen Sachen. Es ist eher verletzlich - aber die anderen Alben genauso persönlich. Ich schrieb "Good Citizens" 2018 zur Zeit der Volksabstimmung über gleichgechlechtliche Ehen - was übrigens ein weiteres blödes Referendum war, das wir hatten - das neue Album aber während der Pandemie. Und das war dann eben eine emotionalere Zeit. Die Pandemie war zerstörerisch und für Musiker extrem schwierig und fiel mit dem Zerbrechen meiner Ehe zusammen - was wahrscheinlich auch mit der Pandemie zu tun hatte. Ich bin während der Lockdowns in meinen Heimatort, der nur ca. 200 Einwohner hat, gewesen, so dass wir dort noch isolierter waren als der Rest. Es sind da eine Menge intensive Dinge zusammengekommen.

GL.de: Viele deiner Kolleg(inn)en sagen ja, dass man in der Pandemie - wegen der Lockdown-Situationen - songwriterisch auf sich selbst zurück geworfen wurde, weil ja der Input von außen fehlte.

Cash Savage: Hm. Ja - aber ich habe eigentlich nur zwei Songs in der Pandemie fertig gestellt - "600$ Short On The Rent" und "Everyday Is The Same" - und das sind beides Songs, in denen ich mich mit meiner geistigen Gesundheit und den Auswirkungen der Pandemie auf diese geistige Gesundheit beschäftige. Aber du hast recht: Es war sehr schwer, überhaupt Themen, über die man sprechen konnte, in der Pandemie zu finden. Das war ja generell eine Zeit, in der alle Menschen diese Gefühle hatten. Es war also für niemanden etwas Besonderes. Es war für mich aber schwer, Musik zu schreiben, denn egal wie schlecht es mir selber ging - es gab mit Sicherheit Menschen, denen es noch sehr viel schlechter ging als mir.

GL.de: Hatte diese Situation aber nicht vielleicht sogar das Potential, uns alle enger zusammenzuführen?

Cash Savage: Ja, schon - alle universellen, gemeinschaftlichen Erfahrungen haben das Potential, uns zusammenzubringen. Ich kann nicht für alle anderen sprechen, aber die Lockdowns in Melbourne und Victoria waren sehr extrem - obwohl ich mich aus Vernunftgründen mit ihnen einverstanden erklärte. Aber die Zeit hat viele Traumata hinterlassen und speziell die Melbourner waren davon stark betroffen, weil das natürlich auch eine traumatische Erfahrung war. Wir sind natürlich alle Gemeinschaftstiere und wir brauchen uns gegenseitig.

GL.de: Gehörst du denn zu den Musikern, die ihr Leben über ihre Musik verarbeiten?

Cash Savage: Auf jeden Fall. Das ist aber überhaupt nicht absichtlich so angelegt. Beispielsweise habe ich erst nachdem ich den Song "600$ Short On The Rent" geschrieben habe realisiert, wie sehr meine geistige Gesundheit an einem Tiefpunkt angelangt war. Als ich den Song fertig hatte, wurde mir bewusst, dass ich echte Schwierigkeiten hatte. Ich habe mich aber nicht hingesetzt, um einen Song über schwierige Zeiten zu schreiben. Die Texte kamen zu mir, so dass ich erkennen konnte, was los war. Ich habe vermutlich Glück, dass ich Sachen auf diese Weise verarbeiten kann, denn das ist lebensrettend für mich.

GL.de: Gab es denn einen bestimmten Anspruch auf der musikalischen Seite, das neue Album betreffend?

Cash Savage: Das hat sich mehr so entwickelt. Die Songs sind alle etwas komplizierter als frühere Songs. Ich weiß nicht ob das für den Zuhörer offensichtlich ist, aber sie sind schwieriger zu spielen und die Arrangements sind komplexer. Ein Ziel gab es aber nicht. Es war so, dass wir gemeinsam am Sound gearbeitet haben, nachdem ich die Songs geschrieben hatte. Es gab keinen super-klaren Pfad - ich wusste nur, was ich nicht wollte.

GL.de: Musikalisch gehören die neuen Songs zu deinen zugänglichsten - was das dann vielleicht beabsichtigt?

Cash Savage: Nein - auf so etwas schiele ich nie. Ich finde es interessant, dass du diese Songs für so zugänglich hältst, denn wie ich sagte, sind sie unsere kompliziertesten Songs. Für mich geht es bei jedem Song einfach darum, dass sich ihm die Musiker und Künstler verpflichtet fühlen. Ich meine - wir geben uns jedem Song irgendwie hin, weil wir zusammen gewachsen und immer besser geworden sind. Und das erlaubt uns dann, in Bereiche vorzustoßen, wie auf der neuen Scheibe. Nimm zum Beispiel den Song "So This Is Love" - der balanciert ganz delikat vom Beginn zum Ende. Wenn du dir separat den ersten und den letzten Teil anhörst, dann wärest du vermutlich überrascht, dass es sich um den selben Song handelt. Aber zu keiner Zeit hört es sich an, als wären wir zu weit gegangen. Es ging also um die Balance - und natürlich die Hingabe. Wir sind einfach mehr Risiken eingegangen - besonders ich als Texterin. Denn ich habe nie das Gefühl zugelassen, dass ich diese oder jene Zeile auslassen oder verstecken sollte - das ist das, was ich meine, wenn ich sage, dass das Album verletzlicher ist. Wir wussten als Band natürlich nicht, wie die Leute reagieren würden und ob sie Zugang zu dieser Musik finden würden - das war uns aber das Risiko wert.

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Surfempfehlung:
cashsavage.com.au
www.instagram.com/savagedrinks
www.facebook.com/savagedrinks
glitterhouserecords.bandcamp.com/album/so-this-is-love
www.slowklahoma.com
www.youtube.com/watch?v=0W6D5fkE9Ms
www.youtube.com/watch?v=ZCNIQflX1sA
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-

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