Eigentlich hatte Anna von Hausswolff das Kirchenorgel-Monopol für die Indie-Szene gepachtet. Der Neid sollte es einem aber lassen, einzuräumen, dass Kristin "Lingua Ignota" Hyter diesbezüglich auf ihrem neuen Album "Sinner Get Ready" auch ganz gut unterwegs ist. Allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang. Während Anna nämlich mit den Kirchenorgel-Sounds schlicht die Basis für ihre psychedelischen Doom-Drones bildet, bezieht sich Kristin Hyter auch mehr oder minder direkt auf die liturgischen Aspekte des Instrumentes - das auch nur eines der vielen Elemente ihrer ansonsten von verdrehten Kirchenchören Klangwelt ist. Denn in ihren Arbeiten geht es um eine schonungslose, brutale Abrechnung mit den pervertieren, patriarchalischen Strukturen der evangelikalen religiösen Eiferer, die mit ihren weltfremden und archaischen Glaubensmodellen und Weltbildern (und in dem Fall auch mit häusliche Gewalt und Missbrauch) bis heute das Leben im ruralen Amerika - in diesem Fall den Appalachen in Pennsylvania - prägen.

Dass Kristin mit ihren Wut- und Rachegesängen - bis auf wenige versöhnliche Momente - weniger auf klassische liturgische Formate wie z.B. Madrigale, sondern eher auf die zerstörerische Kraft von Dissonanzen und atonal verdrehten Doom- und Kaputnik-Folklore-Klangsphären setzt, ist verständlich. Unterhaltungsmusik ist das definitiv nicht und Schönklang hat hier nichts zu suchen - eher handelt es sich schon um eine avantgardistische Klanginstallation und ein politisches Manifest. Wer sich darauf einlassen möchte, sollte schon eine gewisse thematische Grundspannung mitbringen.