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NORMA JEAN MARTINE
 
Brutal aufrichtig
Norma Jean Martine
Also sagen wir mal so: Es dürfte ganz schön schwierig werden, die junge Dame, die das so nonchalant singt, als tue sie dies bereits seit 30 Jahren, als klassischen Popstar zu etablieren - auch, wenn die im Vorfeld ihrer CD "Only In My Mind" veröffentlichten Single-Titel ein weitgefasstes musikalisches Spektrum repräsentieren. Denn Norma meint es ernst mit ihrer Karriere als Musikerin, Songwriterin und Performerin - und hat da auch durchaus bestimmte Ansprüche an sich selbst und ihre Position.
"Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen und habe mich schon früh dazu entschlossen, Musikerin zu werden", berichtet die Frau aus New York, die aber der Musik wegen nach London umgezogen ist, "und ich war auch schon als Kind immer sehr kreativ veranlagt. Meine Eltern haben mich auch in all meinen Bemühungen immer 100%ig unterstützt. Schon als Kind in der Schule habe ich angefangen zu singen. Zum Beispiel als ich in der Pause die anderen Mädchen auf den Schaukeln singen hörte. Da dachte ich mir: Das ist blöde - das kann man doch besser hinbekommen und habe losgelegt, so dass sogar schon die Lehrerin sich fragte, wie diese Stimme aus so einem kleinen Kind hervorkommen könnte." Es war also von Anfang an eine Karriere als Sängerin geplant? "Nun, zunächst habe ich verschiedene Sachen ausprobiert", schränkt Norma ein, "zum Beispiel hatte ich mir überlegt, an die Schauspielschule zu gehen, um dort zu lernen, wie man sich darstellt um beispielsweise eine Rolle in einem Musical zu erringen. Nun ist das aber so, dass man dabei drei Kategorien beherrschen muss: Den Tanz, das Singen und die Schauspielerei. Tanzen kann ich überhaupt nicht - aber das mit der Schauspielerei habe ich ganz gut hinbekommen. Am meisten Spaß hat mir allerdings das Singen gemacht und irgendwann wusste ich dann auch, dass es das ist, was ich machen wollte." Und warum ging die Reise dann von New York nach London? "Das ist etwas komplizierter", holt Norma aus, "bevor ich nach London ging, habe ich mir nämlich überlegt, dass ich erst mal lernen müsste, wie man in dem Business am besten durchkommt. Ich bin dann nach Nashville gegangen, um zu lernen, wie man Songs schreibt. Du weißt ja, was man von der Countrymusik sagt, nicht wahr: Dass man da drei gute Akkorde und ein wenig Wahrheit braucht, um gute Songs schreiben zu können. Nun ist das aber so, dass in Nashville diese riesige Musikszene existiert mit all diesen erfahrenen Weltklasse-Songwritern. Da kam ich mir als Anfängerin vor wie ein Baby. Aber ich habe zumindest eine Ahnung erlangen können, wie das Ganze funktioniert. Dann bin ich nach London gezogen - das heißt, nein, vorher wollte ich ja noch eine andere Sprache lernen. Ich finde es nämlich wichtig, andere Sprachen zu können. Tatsächlich habe ich angefangen, Deutsch zu lernen. Ich wollte sogar nach Dresden ziehen, um an der Schauspielschule auch Deutsch zu studieren - dann jedoch bekam ich dieses Angebot, nach London zu gehen und dort mit dem Produzenten Danton Supple zusammenzuarbeiten - und das habe ich dann auch gemacht."
Norma Jean Martine
Danton Supple ist dabei ein vielbeschäftigter Szene-Profi, der eine Vielzahl von renommierten Acts betreute - darunter Morrissey, Coldplay, Starsailor oder Ed Harcourt - mit dem nun auch Norma zusammenarbeitet. Das heißt aber: Deutsch ist dann unter den Tisch gefallen? "Nun, ich spreche nicht wirklich Deutsch", gesteht Norma, "aber ich kann es ganz gut verstehen, und mich zur Not verständlich machen - zum Beispiel bin ich heute im Taxi gefahren und der türkische Taxifahrer verstand kein Englisch - da konnte ich mich schon helfen." Wenn Norma ihre Songs live vorträgt, kommt es ihr natürlich auch zu Pass, wenn sie die üblichen Begrüßungsfloskeln auf Deutsch zumindest richtig intonieren kann. Was ist aber aus der Schauspielerei geworden? Nutzt sie diese Erfahrungen zum Beispiel, indem sie ihre Songs auf der Bühne "schauspielert"? "Nicht ganz, denn da finde ich es schon wichtig, ich selbst zu sein", schränkt sie ein, "es ist aber so, dass als es um die Besetzung von Musical-Rollen ging, gesagt wurde, dass man dort eher einen guten Schauspieler, der auch singen kann, engagieren würde, als einen guten Sänger, der auch schauspielern kann - denn es geht um die Glaubwürdigkeit. Insofern nutze ich dann auch meine Schauspiel-Kenntnisse auf der Bühne - weil ich die Glaubwürdigkeit hier besonders wichtig finde. Ich muss auf der Bühne 100%ig präsent sein." Manchmal singt Norma mit geschlossenen Augen. Warum denn das? "Nun, ich denke zuweilen einfach an die Geschichten hinter meinen Songs", führt sie aus, "es ist nämlich so, dass die Songs immer von mir handeln und von dem, was ich erlebt habe. Ich bin nicht an Fiktionen interessiert. Ich lese keine Romane, sondern nur Fachbücher und ich schaue mir keine Spielfilme, sondern nur Dokumentationen an - Dinge, die man nachprüfen kann. Kurzum: In meinen Songs geht es immer um mich selbst." Das heißt also, dass Norma ein interessantes Leben anstrebt, oder? "Genau - geht es darum aber nicht immer? Ich finde, brutale Aufrichtigkeit und Offenheit ist das Allerwichtigste, wenn es um das Songwriting geht." Macht ihr das denn nichts aus, sich sozusagen auf diese Weise selbst zu offenbaren? "Nein, denn die Dinge, über die ich singe, sind ja solche, die jedermann erleben könnte - auch wenn die Details andere sein mögen." Das heißt aber auch, dass Norma ihre Stories jeden Tag neu durchleben muss, richtig? "Ja - und das ist auch das Problem und das ist auch einer der Gründe, warum die Scheibe 'Only In My Mind' heißt", beschreibt Norma dies, "wenn ich nämlich über diese Geschichten nachdenke, dann kann es sein, dass ich mich darin verliere, weil diese dann in meinem Kopf wie ein Film ablaufen. Meine größte Angst ist dann immer, dass ich nicht die Textzeilen singe, sondern das, was mir gerade im Kopf herumschwirrt." Okay - das erklärt dann aber wirklich die teilweise geschlossenen Augen.
Norma Jean Martine
Gibt es diese Art von Überschwang denn auch beim Prozess des Songwriting selbst? "Ganz genau", pflichtet Norma bei - und überrascht dann mit einer Formulierung, die durchaus belegt, dass sie es mit der Offenheit ziemlich ernst meint. "Wenn ich mal einen One-Night-Stand habe, dann kann es sein, dass ich gleich vier Songs darüber schreiben kann - die ich dann aber auch gleich wieder vergesse, weil das Erlebte so intensiv war." Heißt das denn, dass ihre Songs eine Art Tagebuch-Ersatz sind? "Ja - ich schreibe aber auch ein Tagebuch", verrät sie, "darin finde ich dann auch meine Texte. Manchmal schreibe ich auch in Form eines fiktiven Briefes und finde dann darin die Details und die Formulierungen, aus denen dann meine Texte entstehen. Das Wichtigste ist dabei immer die Ehrlichkeit - aber ich mag auch schöne Formulierungen und Poesie." Das heißt, dass Norma ihre Songs also eher als Geschichtenerzählerin und weniger als Sängerin schreibt? "Ja, genau - ich würde sagen, dass ich eher eine Geschichtenerzählerin bin - auch wenn es mir wichtig ist, dass das, was ich singe, gut klingt." Dabei sind Normas Songs eher geradlinig angelegt und kommen ohne ironische Distanz aus. Songtitel wie "You Are My Welcome Stranger" bilden da eher die Ausnahme. "Das ist eine Zeile von Ed Harcourt", erklärt sie das dann, "ich habe mit Ed Harcourt zusammengearbeitet und er hatte diesen Song geschrieben und mir angeboten, ihn für mich umzuschreiben. Das haben wir dann auch gemacht - ihn auf meine Perspektive umgebogen und ein wenig zeitgemäßer und moderner gemacht. Ich mag zwar Eds Oldschool-Ansatz, aber seine Wortwahl ist eher - wie soll man sagen... nicht altmodisch, sondern irgendwie poetisch antiquiert. Aber um es noch ein Mal zu sagen: Meine Songs sind immer geradlinig und sie handeln immer auf möglichst offene Art von mir. In der Popmusik kommt es ja nicht so sehr auf den Inhalt an - aber ich komme halt aus einer Tradition, wo man etwas auf das Handwerk gibt - auch musikalisch. Und wie gesagt: Man muss ehrlich und aufrichtig sein um glaubwürdig sein zu können."

Musikalisch gestaltet sich das Ganze dann so, dass es auf Normas Scheibe zwar abwechslungsreich, vor allen Dingen aber organisch zugeht. Nach diesem Gesichtspunkt wählte sie auch ihre Mitstreiter aus - neben Ed Harcourt und Danton Supple sind dies noch Dan McDougall und Neil Athale sowie Joel Pott von der Band Athlete, der auch für seine Arbeiten für George Ezra, Shura, James Bay und Gabrielle Aplin bekannt ist. Live setzt Norma mit ihrer Band dann aber noch mal eins drauf und dann gibt es eine bluesig/soulige Rock-Show. "Das machen wir absichtlich, denn live wollen wir vor allen Dingen druckvoll rüberkommen", erklärt Norma, "ich bin ja sowieso keine Pop-Künstlerin. Meine Musik muss organisch und handwerklich solide sein. Ich möchte zeitlose Songs schreiben - das liegt mit besonders am Herzen - weil sich nur so etwas erreichen lässt, das Bestand hat. Meine Scheiben soll man sich lange anhören können." Als klassisches Album also? "Ja - das ist überhaupt das Allerwichtigste", pflichtet sie bei, "ich bin keine Musikerin, die Single-Sammlungen veröffentlicht. Ich möchte Alben machen, die man sich vom ersten bis zum letzten Stück anhören kann." Dabei ist ihr mit dem Debütalbum bereits ein ziemlich runder Meilenstein gelungen - so sollte man annehmen. Aber Künstlerinnen wie Norma Jean Martine halten nicht wirklich inne. "Also mit den Songs, die ich gerade schreibe - die für mein nächstes Album -, will ich noch einen Schritt weitergehen", überlegt sie, "am liebsten wäre es mir, wenn diese noch ehrlicher und aufrichtiger werden. Es geht einfach nichts über brutale Aufrichtigkeit." Dass jemand wie Norma Jean Martine mit einer solchen Einstellung Schaden nehmen könnte, steht nicht zu befürchten und irgendwelche Zweifel scheint sie auch nicht zu haben. "Ich signiere dir mal meine CD, falls ich dann später berühmt werden sollte, hast du was in der Hand", meint sie schließlich zum Abschluss des Gespräches und ist dabei schon damit beschäftigt, sich dem nächsten Gesprächspartner zuzuwenden - freilich nicht ohne sich umzuwenden noch ein Hi-Five in die Gegend zu setzen. Kein Zweifel: Das wird schon was werden, mit der Karriere von Norma Jean Martine...

Weitere Infos:
www.normajeanmartine.com
www.facebook.com/njeanmartine
www.instagram.com/njeanmartine
twitter.com/njeanmartine
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Norma Jean Martine
Aktueller Tonträger:
Only In My Mind
(Vertigo/Universal)
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