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JENOBI
 
Lieber ein wenig schief als zu perfekt
Jenobi
"Irregulär" im wörtlichen Sinne ist das zweite Album der schwedischen Wahl-Hamburgerin Jenny Apelmo Mattsson a.k.a. Jenobi ja eigentlich nicht. Denn was die Songwriterin und neuerdings auch Produzentin mit dem Titel ausdrücken will, ist, dass sie sich und natürlich auch ihre Musik nicht zwischen irgendwelchen Regelwerken angesiedelt sieht und sich demzufolge als unangepasst - eben außerhalb von gängigen Normen - betrachtet. Das hat einen ganz einfachen Grund: Denn beschäftigte sich Jenny auf ihrem Debütalbum "Patterns" mit - wie sie sagt destruktiven - Verhaltensmustern aus ihrer Kindheit, so geht es auf "Irregularity" um die traditionell patriarchal ausgerichteten Strukturen nicht nur der Musikszene, sondern auch der Gesellschaft, gegen die es (insbesondere als Frau) aufzubegehren gilt. Kurzum: "Irregularity" ist vor allen Dingen eine feministische Kampfansage gegen tradierte Rollenbilder, Schubladendenken und Normen geworden, oder?
"Ja, schon", meint Jenny, "mein erster Plan war aber vor allem der, dass ich dieses Mal alles selber produzieren wollte. Für die erste Platte hatte ich die Songs zunächst zu Hause geschrieben und aufgenommen - aber dann stand ich mit meinem Drummer Felix im Probenraum und wir haben das dann erst zusammen im Probenraum arrangiert. Für diese neue Scheibe habe ich alles komplett zu Hause aufgenommen und habe hier mit meinem Computer viel herumgespielt." Und das war bei der zweiten Scheibe dann anders? Wahrscheinlich ist das dann auch der Grund, warum das neue Album elektronischer und poppiger klingt als das erste. "Ja - viele Lieder sind so entstanden, dass ich einen Schlagzeug-Beat aus meinem Beat-Programm ausgesucht habe. Dann habe ich einen E-Bass draufgespielt und dann mit der Gitarre dazu gejammt", berichtet Jenny, "dadurch ist das automatisch auch alles elektronischer geworden. Ich glaube, das hat dann dazu beigetragen, wie es klingt. Ich muss aber auch sagen, dass ich heutzutage viel mehr Pop-Musik höre als damals." War das eine bewusste Entscheidung, in diese intuitive, poppige Richtung zu gehen? "Also mit Jenobi habe ich mich nie so richtig eingeengt gefühlt", meint Jenny, "ich habe Jenobi ja gerade deswegen gegründet, weil ich dann machen konnte, was ich wollte. Ich merke aber schon, dass die neue Platte anders ankommt. Das liegt wohl daran, dass ich dieses Mal die Einzige war, die bei der Produktion anwesend war und deswegen habe ich das Gefühl, dass diese Scheibe sehr viel mehr 'ich' ist als die erste. Ich habe aber das Gefühl, dass die neue Scheibe bei den Indie-Rock-Freunden nicht so gut ankommt, wie die alte."

Was eigentlich schade ist, denn nur weil es weniger Gitarrensounds zu hören gibt und weil die Stücke zugänglicher sind, heißt es ja nicht, dass sie deswegen schlechter wären. Letztlich zeichnet sich die Scheibe ja dadurch aus, dass sich damit dann auch ein ganz anderes Lebensgefühl vermitteln lässt. Beispielsweise indem Jenny überraschend viele Club-, Dance- und sogar Disco-Elemente einbaut. "Ja voll", pflichtet sie bei, "es gibt halt Indie-Rock und Indie-Pop. Und das was ich jetzt mache, ist eben mehr Pop. Meine Lieblingskünstlerinnen sind Björk oder Lykke Li - und die machen ja auch keine Rockmusik, sondern Pop-Musik. Es gibt auch ganz viele skandinavische Künstlerinnen, die so arbeiten. Die haben dann vielleicht noch ein wenig Dreck in den Gitarrensounds und es ist etwas experimentell - aber es ist dennoch Pop-Musik." Schon im Titel macht Jenny zudem deutlich, dass sie nicht zur Norm gehören möchte und sich alleine besser verwirklichen könne, als in Zusammenarbeit mit - meist männlichen - KollegInnen. "Ja, das ist auf jeden Fall auch so", pflichtet Jenny bei, "denn dann muss ich mich nicht erklären oder rechtfertigen. Schau: Ich habe unfassbar viele, liebe männliche Kollegen und ich weiß schon, dass die alle sehr reflektiert sind. Aber weil wir als Männer und Frauen in der Gesellschaft erzogen werden, endet das immer damit, dass es eine Tendenz gibt - sobald man mit Männern zusammenarbeitet und egal wie nett und reflektiert die sind -, dass die dir immer die Welt erklären wollen und wenn sie dann einen anderen Geschmack haben, das dann nicht zum Ausdruck bringen, sondern immer gleich sagen, dass es falsch ist, was man selber gerne machen möchte - obwohl es ja eigentlich nur um eine Geschmacksfrage geht."
Mit Songtiteln wie "Still Waiting For My Name In The Credits" und "The Producer" macht Jenny dieses Thema nochmal besonders deutlich. Dabei hat Jenny ja selbst eine ganz bestimmte Vorstellung davon, was sie machen möchte - und demzufolge für richtig hält. Das bringt sie dann beispielsweise in dem Song "The Perfectionist" zum Ausdruck. "Ja, ich würde nämlich von mir selbst sagen, dass ich extrem perfektionistisch bin - was manchmal ein bisschen krass sein kann. Aber ich richtige mich dabei nach meinem eigenen Maßstab. Ich muss es richtig toll finden, was ich mache. Wenn ich einen Song schreibe und aufnehme, dann nehme ich das unfassbar viele Male, bis ich selber der Meinung bin, dass ich es richtig gut finde. Ich möchte immer nur Musik machen, hinter der sich selber stehen kann. Und das ist das Ding. Wenn ich mit anderen Menschen zusammenarbeite, und die vielleicht dann nicht das gleiche gut finden, was ich richtig gut finde, die anfangen wollen mit mir Kompromisse einzugehen - womit ich mich dann überhaupt nicht wohlfühle. Am Ende sitze ich dann da oft da und denke, dass wir es doch hätten so machen sollen, wie ich es ursprünglich wollte." Gibt es denn eine Möglichkeit, festzumachen, wonach Jenny sucht bzw. was es braucht, damit sie selbst zufrieden ist? "Also wenn ich mich entschieden habe, wie ich etwas machen will, dann geht es wirklich nur noch um die Aufnahme. Für mich ist es bei jedem Instrument wichtig, dass es Seele hat und dass ich spüre, was ich da aufgenommen habe. Natürlich ist es auch wichtig, dass ich alles richtig spiele und keine Fehler mache - aber vor allem muss ich es spüren. Das aller schwierigste ist für mich dann immer der Gesang. Da ich nicht wirklich eine professionelle Sängerin bin, ist es oft so, dass ich entweder mit sehr viel Gefühl, dafür aber ein bisschen schief singe oder aber es wird sehr perfekt - hat aber wenig Gefühl. Dann nehme ich lieber das, was ein bisschen schief ist."
Jenobi
Nun ja - Perfektion ist ja bekanntlich nicht gut genug, wenn es darum geht, Musik zu machen. Was ist Jenny denn selbst am wichtigsten, wenn es nicht die Perfektion ist - obwohl sie ja eine Perfektionistin ist? "Ich mag so unfassbar verschiedene Musik, aber es ist immer das wichtigste, dass das Gefühl spürbar ist. Das hängt auch von meiner Laune ab. Ich habe sehr viele Musik für bestimmte Stimmungen. Was ich oft schön finde, ist eine richtig coole Bassline oder eine hübsche E-Gitarre. Und wenn es nicht instrumental ist und eine Stimme da ist, dann muss die Klangfarbe von der Stimme schön sein und dann ist es mir auch wichtig, dass der Text gut ist."

In ihrer aktuellen Bio wird Jenobi als "Elektro-Pop" ausgelobt. Wie sieht Jenny denn selber ihre Position als Musikerin? Immerhin stehen ja auch auf der neuen Scheibe die elektronischen Sounds nicht als Selbstzweck im Raume. Ist sie nicht vielmehr eine Singer/Songwriterin, die die Elektronik einfach als Ausdrucksmittel begreift? "Ich habe eigentlich nicht das Gefühl eine Songwriterin zu sein, denn da habe ich immer das Gefühl, dass da jemand mit einer akustischen Gitarre sitzt. Bei dieser Platte habe ich sehr viele Songs so produziert, dass ich einen elektronischen Beat programmiert habe, über den ich dann erst mal einen Bass eingespielt habe und irgend etwas drübergesungen habe. Diese Platte ist ja aber sehr feministisch und handelt von Empowerment speziell als Frau in der Musikbranche. Starke Gefühle waren für mich immer ein Grund Musik zu machen. Schon als Kind habe ich - wenn ich wütend war - meine Gefühle in irgendeiner Form in Texten rausgelassen. Ich weiß auch deswegen nicht, ob ich mich als Singer/Songwriterin sehe, weil ich ja auch alles selber Produziere und dabei viel mit Elektronik und Synthesizern arbeite - was die neue Scheibe auch sehr von der ersten unterscheidet. Wenn ich nach einem Label suchen müsste, würde ich eher Artist/Producer sagen."

Eine Sache, die es auf dem Debütalbum in dieser Form nicht gegeben hat, ist dass auf der neuen Scheibe viele Dance- und Club-Elemente drauf sind. Woher kommt denn das? Liegt das einzig an der Beschäftigung mit elektronischen Beats als Grundlage des Songwriting? "Was ich auf dieser Platte auf jeden Fall erreichen wollte, war dass man ein bisschen tanzen kann, wenn man die neue Scheibe hört", führt Jenny aus, "das Thema ist schon schwer und düster genug - also wollte ich ein Gegengewicht. Ich spiele ja auch Kontrabass in einer Jazz-Band namens Danube's Banks und wir machen auch Party-Jazz. Da habe ich bemerkt, dass ich das sehr liebe, wenn das Publikum tanzt. Deswegen möchte ich, dass Jenobi jetzt auch so eine Art Tanzpublikum bekommt. Auf der letzten Tour habe ich das dem Publikum auch schon gesagt, dass sie bitte ein wenig die Hüften schwingen und tanzen sollen, weil ich das selber unheimlich schön finde, wenn die Leute mit mir tanzen." Darauf müssen wir uns bis zum Herbst gedulden, denn erst dann ist eine Jenobi-Tour im Bandformat angedacht.
Weitere Infos:
jenobimusic.com
www.facebook.com/jenobimusic
www.instagram.com/jenobimusic
www.youtube.com/@jenobimusic/videos
www.youtube.com/watch?v=Exwv9T54Hu0
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Sophia Roßberg-
Jenobi
Aktueller Tonträger:
Irregularity
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